Abenteuer im Ferienlager
zugeflüstert. »Könnte das vorweggenommene Finale sein.«
Das stimmte. Aber beim nächsten Zug machte das dicke Mädchen einen Fehler; und Margit konnte ihr die Dame wegschnappen. Dann war es nur noch eine Frage der Zeit, bis Margit gesiegt hatte.
Die Spannung stieg. Nur noch vier Spieler waren übrig. Keiner der andern hatte den Gemeinschaftsraum verlassen. Eindichter Kreis umlagerte den Tisch, an dem die letzten Spieler saßen.
Einer der Betreuer kämpfte gegen einen älteren Jungen, um ins Finale zu kommen, verlor aber nach spannendem Spiel.
Margit hatte wiederum ein Mädchen als Gegner: Eine Zarte, Rehäugige, in der man kein Schachgenie vermutet hätte; Inge hieß sie. Die Partie zog sich hin. Mal schien Inge im Vorteil zu sein, mal Margit. Jede hatte drei Bauern verloren, mehr nicht.
Aus den Augenwinkeln beobachtete Tarzan die Umstehenden. Alle waren gespannt. Aufmerksam verfolgten sie das Spiel. Alle Gesichter drückten Hochachtung aus. Und manchmal, wenn es anders lief, als sie sich selbst ausgerechnet hatten, klang unterdrücktes Gemurmel auf. In den Blicken, die Margit galten, war keine Geringschätzung mehr. Im Gegenteil. Jeder merkte, was für ein intelligentes Mädchen die Behinderte war.
»Selbst wenn sie jetzt verliert«, dachte Tarzan, »ist das Ziel erreicht. Klasse! Von denen wird sie keiner mehr hänseln. Und weil sich hier Neuigkeiten wie ein Lauffeuer verbreiten, werden auch alle andern bald wissen, wie Margit einzuschätzen ist.«
Tarzans Sorge, Margit könnte verlieren, war unbegründet. Sie gewann.
Kaum hatte sie »Matt« gesagt, geschah das Wunder.
Alle klatschten.Es war ein Applaus wie im Theater und Margit – die jetzt erst merkte, dass ihr diese Anerkennung galt – wurde rot bis hinter die Ohren.
Das letzte Spiel.
Die Freude schien Margits Geist zu beflügeln. Nach nur acht Minuten gab ihr Gegner auf.
Ein Orkan brach los. Hochrufe erschollen. Hände streckten sich Margit entgegen, um sie zu beglückwünschen. Zwei der größeren Jungs hoben sie aus dem Rollstuhl, Margit wusste kaum, wie ihr geschah, als sie plötzlich auf Peters rechter undSebastians linker Schulter saß und im Triumphzug durchs Haus getragen wurde. Und dann noch, weil sich immer mehr Kinder und Jugendliche anschlossen, hinaus und in einer großen Runde durchs ganze Ferienlager.
Dass es draußen schon ziemlich dunkel war, hatte einen Vorteil: Nur wenige sahen die Freudentränen, die über Margits Gesicht kullerten.
Der nächste Morgen war schwül, der Himmel bleifarben, über dem Meer grummelte es.
Nach einem hastigen Frühstück versammelten sich Margit und die vier Freunde vor dem Haus.
Trotz der weiten Strecke, die sie vor sich hatten, ließen sie ihre Räder hier. Sie wären nutzlos gewesen, weil man sich Margits Tempo anpassen musste.
Natürlich war Oskar dabei. Gaby führte ihn an der Leine. Wie immer, schnupperte er mit der Nase dicht überm Boden; und »hinten freute er sich«, wie die Kinder es nannten, wenn er unentwegt mit seinem Stummelschwanz wedelte.
Solange sie in Sichtweite des Ferienlagers waren, rollte Margit aus eigener Kraft. Das heißt: Sie fasste die beiden Räder ihres Rollstuhls möglichst weit hinten und drehte sie nach vorn, was ein regelrechtes Muskeltraining für Arme und Schultern ist.
Sobald die Gruppe unbeobachtet war, sagte Tarzan: »Spar deine Kraft, Margit. Wir haben viel vor uns. Ich schiebe dich.«
Das wollte sie zwar nicht, aber er ließ sich von ihrem Protest nicht abschrecken.
Und Gaby sagte: »Das kannst du ruhig annehmen, Margit. Dass Tarzan schlapp wird, hat noch keiner erlebt. Er ist der beste Volleyballspieler unserer Schule, der beste Sprinter, und im Judo wird er sicherlich mal Europameister. Wenn andere schon umfallen, ist er noch nicht mal außer Puste. Ihm würde es auch nichts ausmachen, wenn er dich die ganze Strecke tragen müsste.«
»Stimmt!«, sagte Tarzan. »Aber damit sich das nicht wie Angabe anhört, gebe ich gern zu, dass ich sehr zu Hühneraugen neige. Also habe auch ich körperliche Gebrechen.«
Alle lachten und Margit stimmte fröhlich ein.
Überhaupt: Es war auffallend, wie sie sich seit gestern Abend verändert hatte. Ihr Gesicht wirkte frischer. Die Traurigkeit in ihren Augen war verschwunden und sie saß auch viel aufrechter in ihrem Rollstuhl.
Dass gestern der schönste Tag ihres Lebens war, hatte sie den vier Freunden immer wieder versichert.
Auch jetzt sagte sie plötzlich: »Was ihr für mich getan habt, werde ich nie
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