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Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters

Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters

Titel: Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Rammstedt
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über Bord gesprungen,
gerade als die erste Harpune abgefeuert wurde. Wahrscheinlich wurde unter
Wasser mit Rudern gefochten. Ich wusste wahrscheinlich gar nicht, wie lange ich
die Luft anhalten kann, wenn ich es muss. Wahrscheinlich gaben Algen Deckung.
Wahrscheinlich spielte auch noch der tote Hund eine Rolle, ein gezielter Wurf,
ein zu Boden gegangener Polizist, der im Morast nach seiner Waffe suchte.
Wahrscheinlich waren wir nass bis auf die Knochen. Wahrscheinlich sah ich erst,
als wir längst wieder im Wald waren, dass Sie nun auch am Arm bluteten, dass
ein Harpunenschuss Sie gestreift hatte, darüber verloren wir kein Wort.
    So ähnlich wird es gewesen sein, und wahrscheinlich glaubt uns das
kein Mensch, aber das ist jetzt egal. Erzählen Sie mir alles später, Herr
Willis, in Ruhe, wenn wir Zeit für Details haben. Jetzt müssen wir weiter. Wir
müssen uns zu dieser Straße schleppen, wir müssen in letzter Sekunde diesen Bus
erwischen, wir müssen dem verstörten Fahrer ein paar der aufgeweichten Geldscheine
in die Hand drücken, damit er keine Fragen stellt. Wir müssen uns auf die Sitze
fallen lassen, atemlos und triefend und wieder einmal eine Nasenlänge voraus
oder lieber sogar etwas mehr. Wir müssen uns so lange umdrehen, bis wir sicher sind, dass wir nicht schon
verfolgt werden. Wir müssen in den Sitzen versinken. Wir müssen uns
gegenseitig eine Alge von der Schulter streifen. Wir müssen maßlos erleichtert
sein.
    Ich kann das aus dem Augenwinkel nicht genau erkennen, aber ich glaube, Sie lächeln, Herr
Willis. Und ich, glaube ich, auch.
    Ihr
    Tilman Rammstedt
    Wenn mein ehemaliger Bankberater im Café von der Toilette
zurückkam, begrüßte er oft herzlich die Menschen am Nebentisch. »Die kenne ich
von früher«, erklärte er mir flüsternd. Meist stellte sich heraus, dass
er sie auf dem Hinweg zur Toilette zum ersten Mal gesehen hatte, aber das
störte ihn nicht. Auch das sei schließlich früher gewesen. »Bis jetzt war alles
früher«, sagte er, dachte kurz darüber nach, und sagte es dann, etwas leiser,
noch einmal.

Sehr geehrter Herr Willis,
    es tut gut, wieder unterwegs zu sein, es tut gut, endlich wieder
voranzukommen, es tut gut, ein Team zu sein. Regen prasselt an die Scheiben des
Busses, draußen verschwimmen die ersten Anzeichen von Stadt. Mit geschlossenen
Augen sitzen Sie neben mir, und ich kraule den toten Hund auf meinem Schoß. Sie
wollten mich noch daran hindern, ihn mitzunehmen, aber ich konnte ihn nicht einfach
zurücklassen, nicht nach all dem, was er für uns getan hat, vor und nach seinem
Tod. Außerdem ist er die größte Annäherung an eine Katze, die uns bislang begegnet
ist, und wir können uns gerade nicht leisten, besonders wählerisch zu sein. Ich massiere seine schon erstarrenden Muskeln
und lasse den Blick durch den fast leeren Bus schweifen. Ganz vorne zwei
Frauen, jede mit einem weißen Plastikkleiderständer in der Hand, links hinter
uns liest ein Mann Zeitung. Alle bemühen sich, uns nicht zu bemerken, und das
will ich ihnen auch geraten haben.
    Aber schauen Sie, Herr Willis! Schauen Sie doch nur. Aufgeregt stoße
ich Sie an die Schulter. Wir sind auf der Titelseite. Ja, wir beide. Es sind
keine sehr schmeichelhaften Bilder, vor allem von Ihnen nicht, aber sie zeigen
zweifellos uns. Ich weiß, Sie sind das ja gewohnt, aber ich war noch nie auf
der Titelseite irgendeiner Zeitung. Ich wusste gar nicht, dass man es mit einem
Banküberfall noch auf die Titelseite schafft. Ich kann nicht aufhören, auf die
Zeitung zu starren, auch wenn Sie mir zuflüstern, dass ich das lassen soll. Und
Sie haben recht, der Mann starrt schon zurück, er starrt auf unsere durchnässte
Kleidung, er starrt auf Ihr verbundenes Bein, Ihren blutenden Arm, er starrt auf
den toten Hund, und dann starrt er nicht mehr, sondern versucht, unauffällig
sein Telefon aus der Tasche zu ziehen.
    Ist das zu glauben, Herr Willis? Die kleine Ratte will hier also
tatsächlich den Helden spielen. Er träumt wohl von einer Belohnung, er träumt
davon, morgen auch in der Zeitung zu stehen. Er stellt sich schon vor, wie er
jetzt tagelang ein Gesprächsthema haben wird, am Abendbrottisch und in der
Kantine, wie er noch nach Wochen alle damit nerven wird, weil er uns ja fast
eigenhändig zur Strecke gebracht hat.
    Dass wir jetzt dringend wieder aussteigen sollten, flüstern Sie mir
zu. Sie drücken auf den Haltewunschknopf, so fest und ausdauernd, als würde das
irgendetwas beschleunigen. Sie zerren mich zur

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