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Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters

Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters

Titel: Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Rammstedt
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dass wir einfach alle mehr aufeinander achtgeben müssten. Er
umarmte mich kurz und ungelenk und hätte sich anschließend gern die
Brille gerichtet, aber er trug keine.

Sehr geehrter Herr Willis,
    falls Sie sich fragen sollten, ob ich Ihnen heute
schreibe, lautet die Antwort: Nein. Es ist vorbei. Und Sie sind schuld daran.
    Nur damit Sie es wissen.
    Gruß,
    Tilman Rammstedt
    Ungefähr in der Mitte des Herbstes begann mein ehemaliger
Bankberater damit, sich keine große Mühe mehr mit den einzelnen
Begrifflichkeiten seines Berufs zu geben. »Als mittelfristige Anlage könnte ich
Ihnen ein Dingens empfehlen«, sagte er und: »Ich schätze Sie eher als Dingens
ein«, und manchmal auch: »Der Vorteil von diesem Dingens ist Dingens.« Mich
störte das nicht. Im Gegenteil, vieles wurde für mich so verständlicher. Nur
einmal fragte ich, ob alles in Ordnung sei. Mein ehemaliger Bankberater schaute
sich um, rückte ein paar Gegenstände auf seinem Schreibtisch zurecht und
überprüfte den Knoten seiner Krawatte. »Das allermeiste ja«, sagte er.

Sehr geehrter Herr Willis,
    heute ist es immer noch vorbei. Sie können diese Mail also
getrost löschen. Sie können weiterhin das machen, was Sie halt so machen. Ich
mache auch das, was ich halt so mache (nichts, nichts, nichts).
    Viel Spaß dabei,
    Tilman Rammstedt
    Der Händedruck meines ehemaligen Bankberaters war meistens
etwas zu fest und immer etwas zu lang. An manchen Tagen ließ er meine Hand den
ganzen Termin über nicht los, und auf dem Heimweg fühlte sie sich sehr
leer an.

Sehr geehrter Herr Willis,
     
    Ihr
    Tilman Rammstedt
    »Es gibt so viele Dinge«, sagte mein ehemaliger Bankberater
anerkennend, als wir gemeinsam Einkaufen waren. Erdbeermarmelade gebe es,
Zahnbürsten, Geschenkpapier. Es gebe Zitronen, es gebe stilles Wasser, es gebe
Glühbirnen. »Wir sind nicht allein«, sagte er, legte eine Packung Salzstangen
in den Einkaufswagen, und man sah ihm an, wie gern er sich dazulegen
wollte.

Sehr geehrter Herr Willis,
    es darf noch nicht vorbei sein. Ich glaube nicht an dieses
Ende. Dieses Ende braucht kein Mensch, und wir beide brauchen es am
allerwenigsten. Ich glaube nicht daran, dass wir dort im Morast liegen bleiben,
bis die anderen Hunde uns erreichen, bis die Polizisten unnötig aufgeregt mit
umklammerten Pistolen auf uns einschreien, obwohl von uns doch eindeutig keine
Gefahr mehr ausgeht. Von uns ging nie Gefahr aus. Nicht einmal die Mücken haben
irgendwelche Opfer zu beklagen. Wir sind harmloser, als es sich gehört.
    Ich will keine Handschellen, ich will keinen erniedrigenden Rückweg
durch den Wald, ich will nicht das spöttische Lob der Polizisten für unser
»fachkundiges Lagerfeuer«. Ich will auch nicht sagen, dass ich meinen Anwalt sprechen
möchte, weil ich leider keinen Anwalt habe. Ich will nicht überlegen müssen,
wen ich anrufe, wenn mir dieser berühmte eine Anruf zugestanden wird. Ich will nicht
den mitleidigen Blick des Kommissars, weil mir einfach niemand einfällt, ich
will nicht am Ende aus Verlegenheit meine eigene Nummer wählen und dem
nutzlosen Tuten zuhören. Ich will nicht hoffen, dass vielleicht doch jemand
abnimmt.
    Für all das hätte ich Sie nicht gebraucht, Herr Willis. Das hätte
ich auch allein geschafft, sogar schneller. Wenn das hier das Ende ist, hätten
wir uns alles auch sparen können. Wir hätten weiter in Wartezimmern sitzen
können. Wir hätten weiter vor Spiegeln gestanden, weiter ferngesehen, Mails
geschrieben, den Müll runtergebracht. Auf uns wäre nicht geschossen worden. Wir
hätten uns nicht schmutzig gemacht, mein Hemd hätte noch alle Ärmel, und kein
Hund würde uns ankläffen, stolz und überdreht, als wäre das sein erster
Einsatz. Er verhält sich vorbildlich, fordert Verstärkung an, und die ist nicht
mehr weit.
    Er soll nicht so kläffen, Herr Willis. Ich kann nicht klar denken,
wenn er so kläfft. Dass er bitte still sein soll, sage ich ihm, aber er hört
nicht, also sage ich es lauter und immer lauter, dass er verdammt noch mal
still sein soll, doch je lauter ich rufe, desto lauter bellt er, also fange ich
auch an zu bellen. Wir bellen uns direkt ins Gesicht, Auge in Auge, Kreatur zu
Kreatur, wir wissen beide, was hier auf dem Spiel steht. Der Hund knurrt mich
an, und ich knurre zurück, unsere Körper sind angespannt, unsere Augen blitzen,
sein Kiefer zuckt, sein Kopf stößt nach vorn, und ich beiße zu.
    Ich beiße, so fest ich kann, der Hund krümmt seinen Hals, mit den
Händen versuche

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