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Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters

Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters

Titel: Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Rammstedt
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hinteren Bustür, aber ich reiße
mich noch einmal los und baue mich vor dem Mann auf. Er zieht den Kopf ein und
tut so, als wäre er ganz aufs Lesen konzentriert. Ich höre sein Schnaufen, seine
Hände zittern. Er hat tatsächlich Angst vor mir, Herr Willis, und das auch noch
vollkommen zu Recht. »Telefon«, flüstere ich, so tonlos wie möglich. Nie hätte
ich gedacht, dass so etwas wirklich funktioniert, aber er reicht es mir, ganz
beflissen, ganz gehorsam. »Zeitung«, flüstere ich, nicht mehr ganz so tonlos,
weil ich meine eigene Aufregung kaum unterdrücken kann, doch anscheinend ist es
noch bedrohlich genug, denn er reicht mir auch die Zeitung. Und am liebsten
will ich ihm noch mehr Befehle zuflüstern, »Brieftasche«, »Armbanduhr«,
»Unterhose«, aber der Bus hält an, und Sie winken mich ungeduldig zu der sich
öffnenden Tür. »Beeilung«, rufen Sie, und es ist schön, das endlich mal aus
Ihrem Mund zu hören. Ich komme schon, Herr Willis, ich beeile mich. Wir sind
auf einem guten Weg.
    Ihr
    Tilman Rammstedt
    Einmal traf ich meinen ehemaligen Bankberater zufällig auf
der Straße. Er sei leider sehr in Eile, sagte er, und ich sagte, das sei ich
leider auch. Wir standen unschlüssig voreinander. »Also dann, bis Mittwoch«, sagte
er. »Ja, bis Mittwoch«, sagte ich. Wir blieben weiter dort stehen.
Wahrscheinlich nicht jahrelang, aber beschwören könnte ich es nicht.

Sehr geehrter Herr Willis,
    da stehen wir nun an dieser Bushaltestelle in irgendeinem Gewerbegebiet
und sind berühmt. »Titelseite«, rufe ich immer wieder und wedele mit der
Zeitung vor Ihrem Gesicht herum.
Nicht irgendwo im Lokalteil, kein Fünfzeiler hinten beim Vermischten. Nein,
Titelseite. Ich lese Ihnen einzelne Formulierungen aus dem Artikel vor.
»Minutiös geplant«, lese ich und »schwer bewaffnet«. Ich lese »mögliche
Helfer« und dass wir angeblich vor Gewalt nicht zurückschrecken. Und das stimmt doch auch alles, Herr Willis. Wir
schrecken vor nichts zurück, wir sind zu allem entschlossen. Wir sind
gefährlich, wir sind unberechenbar, wir sind verdammte Meisterdiebe,
Unterweltgrößen, Gangsterkönige. Meine Stimme überschlägt sich, während ich
Ihnen all das erzähle. Sie säubern währenddessen mit etwas Spucke Ihre
Armwunde.
    Tun Sie doch bitte nicht so abgeklärt, Herr Willis. Das ist doch
aufregend, geben Sie das doch zu. »Wir werden gesucht«, rufe ich. »Alle wollen
etwas von uns.« Ich bin noch nie gesucht worden. Ich war einfach immer da, zur
verabredeten Zeit, meistens sogar etwas zu früh. Wegen mir wurde noch nie die
Bevölkerung um Mithilfe gebeten. Niemand wurde je vor mir gewarnt. Ich möchte
am liebsten gleich dem nächsten Dahergelaufenen sein Telefon abnehmen. Ich
möchte am liebsten gleich die nächste Bank überfallen, einen Geldtransporter,
ein Casino, Fort Knox.
    Und vielleicht ist ein glückliches Ende schon viel näher als
gedacht. Vielleicht können wir uns ein paar Wege sparen. Ich ziehe das eben
erbeutete Telefon aus der Tasche und fange an zu wählen. Ich muss dringend
meine Frau anrufen. Sie wird sich Sorgen machen, sie wird sich zum ersten Mal
wirklich Sorgen um mich machen. Sie wird sagen, dass ich komplett den Verstand
verloren hätte, aber sie wird es bewundernd sagen, und zum Schluss flüstert
sie: »Pass bitte auf dich auf.«
    Und ich muss meinen Verlag anrufen. Die werden begeistert sein. Eine
bessere Werbung kann man sich ja gar nicht vorstellen. Titelseite, Herr Willis,
ich sage nur: Titelseite. Ich werde den Vorschuss neu verhandeln müssen. Das
Bild aus der Zeitung wird natürlich das neue Autorenfoto. Es gibt viel zu
klären. Entschuldigen Sie mich kurz. Danach dürfen Sie auch jemanden anrufen,
wenn Sie möchten.
    Bis gleich.
    Ihr
    Tilman Rammstedt
    Die Briefmarkensammlung meines ehemaligen Bankberaters
bestand aus einer eingerissenen 55-Cent-Marke und einem Aufklebe-Tattoo. Ihm
fehle einfach die Zeit, sagte er. Und die Lust, sagte er. Und die Briefmarken,
sagte er.

Sehr geehrter Herr Willis,
    in Ordnung. Sie dürfen jetzt telefonieren, wenn sie wollen.
Aber ich würde Ihnen eher davon abraten. Man fühlt sich danach nicht unbedingt
besser.
    Meine Frau hat sofort aufgelegt. Sie legt immer sofort auf, wenn ich
mit unbekannter Nummer anrufe. Bei bekannter Nummer geht sie gar nicht erst
dran. Sie braucht noch Zeit, glaube ich. Sie hat gerade einfach viel um die Ohren
(Anwaltstermine, mein Zimmer untervermieten, anonyme nächtliche Anrufe).
    Bei meinem Verlag waren sie immerhin

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