Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters
fragen?«, sage ich.
»Okay.«
»Was Persönliches?«, sage ich.
»Okay.«
»Ertappen Sie sich auch manchmal bei der Hoffnung, dass das Beste
noch kommt?«, sage ich.
»Okay.«
»Ich auch«, sage ich.
»Okay.«
»Und wäre es nicht eigentlich furchtbar erleichternd zu wissen, dass
das Beste bereits hinter uns liegt?«, sage ich. »Dann müssten wir es nicht mehr
dauernd suchen. Und hätten nicht
ständig Angst, womöglich an den falschen Stellen zu suchen und es ganz
knapp zu verpassen.«
»Okay.«
»Aber das wäre geschummelt, oder?«, sage ich.
»Ja«, sagen Sie.
Ein Auto fährt vorbei. Ich versuche es zum Anhalten zu bewegen,
winke, weil ich keine Hand frei habe, mit der Pfote des toten Hundes, aber der
Wagen beschleunigt und verschwindet
hinter der nächsten Ecke.
»Egal«, sage ich.
»Okay.«
»Ein glückliches Ende darf nie ganz glücklich sein«, sage ich.
»Okay.«
»Damit man nach dem Ende noch Spielraum nach oben hat«, sage ich.
»Okay.«
»Also lassen Sie es uns endlich finden«, sage ich. »Um es hinter uns
zu bringen.«
»Okay«, sagen Sie.
»Okay«, sage ich.
»Okay«, sagen Sie.
Okay, Herr Willis. Bringen wir es hinter uns.
Ihr
Tilman Rammstedt
Mein ehemaliger Bankberater ließ mich eine Zeit lang immer
meine Zahnpasta zu unseren Terminen mitbringen und füllte sich einen
großzügigen Teil davon in eine Butterbrotdose ab. Er habe sich das mal durchgerechnet,
erklärte er mir. »Das kommt mich einfach billiger.«
Sehr geehrter Herr Willis,
nur noch neunzehn Stunden. So schön es auch ist, mit Ihnen
zu plaudern, langsam wird es doch Zeit, irgendwo anzukommen, also sehen wir
hinter der nächsten Ecke tatsächlich eine Tankstelle. Neu und blau und sauber
steht sie da zwischen den verlassenen Zweckbauten wie eine Halluzination, eine
verzweifelte Wunschvorstellung unseres Durstes, und ich rechne fest damit, dass
sie wieder verschwindet, bevor wir sie erreichen, aber sie bleibt beharrlich, die Türen gleiten auf, laden
uns ein. Es gibt Wasserflaschen in Übergröße, die wir noch vor dem Bezahlen
ausgetrunken haben, es gibt einen Backshop, den wir halb leer kaufen, es gibt
Brötchen und Bockwürste und Croissants, es gibt Muffins, es gibt Cappuccino.
Wir sitzen draußen zwischen den Zapfsäulen, den Rücken gegen den
toten Hund gelehnt, und zum ersten Mal seit Tagen, seit Wochen, seit Jahren
habe ich nicht das Gefühl, lieber woanders sein zu wollen. Wir blinzeln in die Sonne,
der Geruch von Kaffee und Kerosin, die Langsamkeit eines angebrochenen
Wochenendes. Mit jedem Bissen werde ich zuversichtlicher. Wir können es
tatsächlich schaffen, Herr Willis. Wir können das glückliche Ende finden. Achtzehneinhalb
Stunden sind bei genauerer Betrachtung gar nicht so wenig. Wenn sich Dinge
ändern, dann ohnehin meistens von einer Sekunde auf die nächste, die Dinge sind
sprunghaft, und in achtzehneinhalb Stunden haben sie doch mehr als ausreichend
Platz zum Springen. All das erkläre ich Ihnen, und Sie sagen noch nicht einmal »Okay«.
Sie sagen gar nichts, kauen langsam an einem Rosinenbrötchen und starren auf
die Zapfsäulen.
Ich lasse Sie noch ein wenig ausruhen, das haben Sie sich verdient.
Ich gehe zurück ins Tankstellenhäuschen, um sicherheitshalber auch noch die
zweite Hälfte des Backshops leer zu kaufen. Ich kaufe Schirmmützen und Sonnenbrillen
für die Tarnung, ich kaufe Tesafilm und Lakritzschnecken, um daraus bei Bedarf
falsche Schnurbärte zu basteln. Ich kaufe eine kleine Flasche Rum für Ihre
Wunden und eine große für uns. Ich kaufe sogar eine Packung Hundekekse, weil
ich gerade tatsächlich glaube, dass sich alles noch zum Guten wenden wird, und
weil sich vielleicht alles nur zum Guten wendet, wenn man auf das Gute
ausreichend vorbereitet ist.
Ganz zum Schluss kaufe ich noch einen Stadtplan, auf dem ich mir vom
Verkäufer im roten Polohemd zeigen lasse, wo genau wir uns befinden. Er
schwitzt auffallend. Er schaut mir nicht in die Augen. Und natürlich hat er uns
erkannt, Herr Willis, daran besteht überhaupt kein Zweifel. Den ganzen Tag
schon hat er auf unsere Bilder in der Zeitung gestarrt, die hier stapelweise
ausliegt. Aber ich will mich jetzt beim besten Willen nicht auch noch mit einem
Tankstellenverkäufer im Polohemd herumärgern. Auf keinen Fall will ich das.
Nicht jetzt, wo doch einmal bitte für ein paar Minuten alles einfach sein soll.
Ich reibe mir übers Gesicht. »Du weißt, wer wir sind?«, frage ich.
Er nickt, ohne den Blick vom Stadtplan zu
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