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Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters

Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters

Titel: Abenteuer meines ehemaligen Bankberaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Rammstedt
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verständnisvoll. Ich solle mich
ausruhen, haben sie gesagt. Mal ein paar Tage im Bett bleiben, ausreichend
schlafen und mich dann irgendwann wieder melden. Mit dem Buch sei es jetzt
nicht mehr so eilig.
    Das ist bestimmt nett gemeint, aber vor allem zeigt es, dass sie
keine Ahnung haben von meiner Situation, von unserer Situation, Herr Willis.
Die sitzen da ja immer nur in ihren luftigen Büros mit ihren Manuskriptstapeln
und »medium«-Mineralwasser. Die wissen ja gar nicht, wie es hier draußen ist,
auf der Flucht, mitten in der Gefahr. Die wissen nicht, wie es ist, nach fast
dreißig Stunden ohne Schlaf mit immer noch durchweichten Kleidern im Nirgendwo
zu stehen. Das kennen die vielleicht aus ihren gestapelten Manuskripten, in
denen sie dann »unglaubwürdig« oder »hier kürzen« an den Rand schreiben, aber
sie wissen nicht, wie einsam es sich anfühlt, wie erschöpfend, wie ausgeliefert.
Nur Sie wissen das, Herr Willis. Nur wir verstehen einander.
    »Also, wollen Sie?«, frage ich und halte Ihnen das Telefon hin. Sie
zögern kurz, dann nicken Sie, geben eine lange Nummer ein, zögern noch einmal
und drücken die Anruftaste. Fünf Mal klingelt es, das kann ich hören. Ich höre
einen Anrufbeantworter anspringen. Sie legen schnell auf. Müde schauen Sie aufs
Telefon, reichen es mir zurück, legen es sachte in meine Hand, als fürchteten
Sie, es könne aufwachen. »Keiner da«, sagen Sie. Mit wem Sie denn hätten
sprechen wollen, frage ich, und Sie winken ab. »Mit einem Bekannten. Nur mit
einem alten Bekannten.«
    Ich hatte Sie gewarnt, Herr Willis, man fühlt sich danach nicht
unbedingt besser. Ich klopfe Ihnen auf die Schulter, suche einen Gully, in dem
ich das Telefon verschwinden lassen kann, damit es nicht noch mehr Unheil anrichtet,
schultere den toten Hund, der schon allein dem Gewicht nach keine Katze sein
kann, und nicke Ihnen müde zu. Sie nicken zurück. Es geht weiter, immerhin weiter, mit unendlich schweren Beinen, mit
unendlich trockenen Zungen, mit unendlich vagen Vorstellungen und einer leider
überaus endlichen Zahl von Stunden, die uns noch bleiben. Ich habe nicht
gestoppt, meine Uhr ist nicht wasserdicht, aber wahrscheinlich sind es jetzt nur
noch zweiundzwanzig.
    Wahllos schlagen wir irgendeine Richtung ein, ohne zu wissen, ob Sie
zu einem Ende führt, geschweige denn zu einem glücklichen. Aber was bleibt uns
anderes übrig?
    Ihr
    Tilman Rammstedt
    Wer wohl die Untertasse erfunden habe, fragte mein ehemaliger
Bankberater, als wir in meiner Küche saßen. »Ich war es jedenfalls nicht«,
sagte er. »Das muss jemand anderes gewesen sein«, sagte er und schaute mich
erleichtert an. Ich versuchte, nicht wegzuschauen. Es gelang nicht.

Sehr geehrter Herr Willis,
    nichts. Nichts anderes bleibt uns übrig.
    Nur falls Sie sich das gefragt haben sollten.
    Ihr
    Tilman Rammstedt
    Nie habe ich meinen ehemaligen Bankberater ohne Krawatte
gesehen. Nicht beim gemeinsamen Tretbootfahren, nicht an der Theke um halb vier
Uhr morgens, nicht einmal im Schwimmbad legte er sie ab. Das verlange
einfach der Respekt, sagte er. Dann schwamm er weiter.

Sehr geehrter Herr Willis,
    ich muss Ihnen etwas gestehen. Bevor ich vorhin das Telefon
in den Gully warf, habe ich noch die Wahlwiederholung gedrückt. Ich weiß, das
gehört sich nicht, aber ich wollte unbedingt wissen, wen Sie anrufen wollten.
Ich wollte einfach etwas mehr über Sie erfahren. Manchmal sind Sie mir auch
nach all dem, was wir schon miteinander erlebt haben, wahnsinnig fremd. Wieder
klingelte es fünf Mal, bis der Anrufbeantworter ansprang. Die Stimme darauf war
leicht verzerrt, aber zweifellos Ihre. Dies sei der Anschluss von Bruce Willis,
sagte sie, und dass ich eine Nachricht hinterlassen solle. Es folgte der Piepton,
und so gern hätte ich tatsächlich eine Nachricht hinterlassen, so gern hätte
ich Ihnen gesagt, dass Sie sich keine Sorgen machen müssten, dass Sie ja
vielleicht nur unter der Dusche stehen oder kurz einkaufen gegangen sind, dass
Sie vielleicht die Musik etwas zu laut aufgedreht und das Klingeln einfach
überhört haben. So gern hätte ich Ihnen gesagt, dass Sie es doch später noch
einmal versuchen sollen, dann würden Sie sich bestimmt erreichen, dann würden Sie
Ihre unverzerrte Stimme hören, sich vergewissern, dass es Ihnen gut geht, dass
alles in bester Ordnung ist. Aber ich bekam kein Wort heraus, es folgten ein
zweiter Piepton und das Besetztzeichen, das ich immer noch hörte, als ich das
Telefon durch die Gullystäbe

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