Aber bitte mit Sake
eins: nach Hause. Langsam trotte ich zurück, am Sicherheitscheck vorbei, durch die Abflughalle, die sich deutlich geleert hat, hinaus ins Freie.
Warme kubanische Luft hüllt mich ein. Über mir leuchten die Sterne. Ich lasse mich auf der Fläche eines Gepäckwagens nieder, der herrenlos am Bordstein steht. Ein paar Minuten ausruhen nur, einfach ein paar Minuten hier sitzen und mich selbst bemitleiden. Dann werde ich mich um alles Weitere kümmern. Gerade als ich für einen Moment die Augen schließen will, kommt ein Taxi auf den leeren Vorplatz gefahren. In ein paar Metern Entfernung hält es mit laufendem Motor, dann steigt ein Mann aus, wechselt noch kurz ein paar Worte mit dem Fahrer, ich höre sie lachen. Gepäck scheint der Fahrgast nicht zu haben, denn nachdem er die Beifahrertür geschlossen hat, fährt das Auto mit quietschenden Reifen an und verschwindet in der Dunkelheit, auf der Suche nach neuer Kundschaft. Der Mann ist groß, das blaue Hemd hängt aus der Hose, die Locken sind am Hinterkopf zerdrückt, vertraut zerdrückt. Ich spüre, wie eine große Sehnsucht in mir aufsteigt, als er sich umdreht und auf mich zukommt. Es ist Raffaele! Die Vorhersage im Schrein in Tokio war tatsächlich richtig. »Dein Wunsch wird sich erfüllen. Die Person, auf die du wartest, wird kommen. Auf Reisen gehen ist eine gute Idee« , erinnere ich mich an die Worte, die auf dem Zettel geschrieben standen. Ich bin überglücklich.
Es dauert einen Moment, bis Raffaele mich entdeckt.
»Du bist noch da! Ich war gerade am Hafen und hatte schon Angst, ich käme zu spät!«
Mit einem Lächeln auf dem Gesicht, diesem ganz besonderen, das immer noch mein Herz höher schlagen lässt, kommt er auf mich zu.
»Raffaele! Ich bin so froh, dass du hier bist. Ich hab dich so vermisst. Und es tut mir so leid, ich verstehe jetzt, warum du dich nicht sofort in Deutschland wohlgefühlt hast. Ich weiß jetzt, wie es ist …«
»Psst«, unterbricht er mich und legt mir seinen Finger auf die Lippen. »Wir kriegen das schon hin. Wenn wir es wollen, und ich will. Und jetzt sind wir erstmal für ein paar Tage auf Kuba. Carla hat dir freigegeben …« Er lacht mich an. Und ich muss mich zurückhalten, nicht vor Freude ein paar kleine Verbeugungen zu machen.
Lost in Translation, oder: Was wir von den Japanern lernen können
Eine Kolumne von Dana Phillips
Liebe Komplizinnen! Acht Wochen unter Japanern liegen hinter mir, ich bin in unzählige Fettnäpfchen getreten, habe jede Menge lustige Situationen erlebt und den ein oder anderen Kulturschock erlitten. Zu Beginn meiner Reise haben mich die Japaner in den Wahnsinn getrieben mit ihrer Langsamkeit, ihren mangelnden Englisch-Kenntnissen, dem Zwang, sich zu verbeugen, sich zu bedanken, zu entschuldigen, festen Regeln zu folgen. Trotzdem ist es ihnen gelungen, mein Herz zu erobern. Natürlich gibt es Dinge, die ich auch jetzt, am Ende meiner Reise, nicht begreife und immer noch äußerst seltsam finde. Aber auch vieles, an das ich mich sehr gut gewöhnen konnte, zum Beispiel an die Gelassenheit, die Höflichkeit, die Loyalität. An die Misosuppe zum Frühstück, das Essen mit Stäbchen, das leise, beruhigende »sososososo«. All das werde ich versuchen, in den deutschen Alltag hinüberzuretten. Denn ich habe Wertvolles von und im Umgang mit den Japanern gelernt. Vor allem, wie wichtig es ist, sich unvoreingenommen und aufmerksam auf die Reise zu begeben, sich auf eine fremde Kultur einzustellen und Menschen und Sitten fremder Länder auf sich wirken zu lassen. Denn das ist es, was Reisen im besten Fall bewirkt: Einen offenen Blick zu bekommen, sich nicht über andere zu erheben, sondern sich mit ihnen auszutauschen und am Ende vielleicht das, was uns an der fremden Kultur gefällt, mitzunehmen – in die Heimat, wo es uns immer daran erinnert, dass wir versuchen sollten, tolerant und weltoffen zu bleiben.
Natürlich gibt es Japaner, die keine Emotionen zeigen. Es gibt Termine, die sich unnötig in die Länge ziehen, weil die japanische Kultur es vorschreibt, keine Kritik zu äußern und stattdessen vage Versprechungen zu machen. Natürlich nervt das ewige In-der-Schlange-stehen, weil die Japaner für alles doppelt so lange brauchen wie wir. Es gibt sie, die Japaner, denen die Modernität zuwider ist, die auf alten Regeln und uralten Traditionen beharren. Aber ist es nicht vielleicht durchaus erstrebenswert, sich Zeit zu nehmen, sich zu besinnen auf das, was wichtig ist, und nicht im
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