ABGEFAHREN: Auf dem Rad durch Deutschland - mit wenig Geld und viel Gepäck (German Edition)
Wintersemester zum Staatlich geprüften Wirtschafter und macht anschließend seinen Meister. Er ist einer von derzeit noch rund fünfundzwanzig Winzern in Ediger-Eller. Es werden immer weniger. „Bis Ende der 80er Jahre gab es an der Mosel drei Weinbauschulen, heute ist es nur noch eine einzige für vier Regionen – die Mosel, Ahr, Nahe und den Mittelrhein.“
Der Winzer bewirtschaftet 2,5 Hektar Fläche in zwölf Weinbergen. Darunter ist auch der Valwiger Herrenberg, der ähnlich steil ist wie der berühmte Calmont. Die Region steht für den Anbau des Rieslings. Diese Rebsorte „ist an der Mosel unverwechselbar“. Sie stelle den höchsten Anspruch an die Lage und den Winzer, für den der Riesling seit Generationen eine Herausforderung sei, schwärmt Peter Göbel. Die unterschiedliche Lage der Weinberge wirke sich auf den Riesling ganz besonders aus. Der Riesling ist im Vergleich zu anderen Weißweinreben „am filigransten“, sagt Peter, „er hat die meisten verschiedenen Geschmacksrichtungen“, die von grünem Obst bis zum Rosinengeschmack reichten. Und: „Keine andere Weißweinsorte ist so haltbar wir der Riesling, das ist das Tolle daran.“ Andere Sorten wie Spätburgunder, Weißburgunder, Grauburgunder, Dornfelder, Müller-Thurgau und Kerner, die auch in Peters Weinbergen wachsen, werden erst seit gut vierzig Jahren an der Mosel angebaut.
An der Mosel prägen die Jahreszeiten, die Urlaubssaison und die Arbeitsabläufe im Weinberg das Leben. Schon im Januar werden die Reben geschnitten und gebunden. Im April wird die zu Wein gezauberte Ernte des Vorjahres in Flaschen abgefüllt. Wenn im Mai die Wachstumsphase beginnt, werden Pflanzenschutzmittel gegen Pilzkrankheiten eingesetzt, ähnlich wie bei Rosen, und der Boden wird gelockert. Im Juni steht das Heften an, die Laubarbeit an den Rebstöcken – genau in der Zeit meines Besuches während der Radtour. Mit Peter fahre ich am Samstag in einen Weinberg. Um diese Zeit müssen die Weinstöcke geheftet, die Ranken nach oben geschlungen werden, damit die Reben bis zum Herbst gut Sonne und Licht tanken können. Da muss man sich auch um Schlampen kümmern. Wie bitte? „Dat öss ön Schlamp“, erklärt der Winzer in moselfränkischem Dialekt. So wird der letzte junge Trieb an der Rebe genannt. Es ist ein nutzloser Trieb, also wird er abgeschnitten. Wem „Schlamp“ zu unfein ist, der kann auch „Hangoosch“ sagen, hängender Arsch.
Von Mitte August bis Mitte September reifen die Trauben, in dieser Zeit werden in den Winzer-Orten Weinfeste gefeiert, oder man fährt schnell mal für ein paar Tage in den Urlaub. In Ediger ist beispielsweise am zweiten Augustwochenende „Stuhlgang“. Da sind Einheimische und Gäste mit einer Sitzgelegenheit unterm Arm im Dorf unterwegs und machen von Nachbar zu Nachbar Halt, um gemeinsam Wein und Häppchen zu genießen. Dazu gibt’s Live-Musik von einer Band, die auf einem Anhänger spielt, den ein Traktor durchs Dorf fährt.
Von Ende September bis mitunter in den November ist dann Zeit für das, worauf die Winzerfamilien das ganze Jahr über hingearbeitet haben: die Lese. Im Weinberg schneiden Erntehelfer und Familienangehörige die Reben mit Scheren ab und sammeln sie in Eimern. Sind diese voll, werden sie in große Kisten geschüttet, die in einem Wagen gestapelt werden. Sind alle Kisten gefüllt, wird die Ernte nach oben auf den Wirtschaftsweg geschoben. Durch Schleppseil mit dem oben stehenden Traktor verbunden, zieht eine Winde die Fuhre hoch. In Steillagen erleichtert auch eine Zahnradbahn (Monorakbahn) die Arbeit. Gibt’s diese nicht, müssen sich starke Helfer die vollen Hotten, wie die Kiepen heißen, wie einen Rucksack auf die Schultern hieven und nach unten tragen. Das ist Schwerstarbeit, denn eine mit Trauben gefüllte Hotte wiegt bis zu 40 Kilogramm.
Ist der Anhänger schließlich voll, tuckert der Traktor zurück aufs Weingut. Hier wird dann die Weißweintrauben-Maische gekeltert – in einer riesigen Presse, die die Maische zusammendrückt und auspresst. Der frische Most scheint direkt aus dem Schlaraffenland zu fließen. Frischer habe ich Obst noch nie gerochen und geschmeckt. Der Most fließt heraus und wird durch einen Schlauch in Tanks geleitet. Während der Kelter wiederholt sich bei jeder Fuhre ein magischer Moment: Peter nimmt eine Probe und misst mit einem so genannten Refraktometer den Oechslegrad. Das Instrument, das aussieht wie ein Stück vom Fernrohr, misst das Mostgewicht. Es ist das Maß
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