Abgeferkelt: Roman (German Edition)
nicht, auch nicht, als er auf sie zukam. »Ich … ich hab Kuchen mitgebracht«, versuchte er es erneut.
»Wie?« Mit etwa fünf Sekunden Verzögerung hob sie den Kopf. »Kuchen? Aber hoffentlich nichts mit Sahne …«
»Nee, nur mit Früchten, wie du es am liebsten magst.« Er beugte sich herunter, um sie zu küssen, doch in genau diesem Moment klingelte ihr Handy, und Isabel duckte sich weg.
»Sekunde mal – ich muss da rangehen«, stieß sie hervor. »Hallo? Ja, ich hab die Mail bekommen … Das klingt alles hervorragend, aber ich kann jetzt noch nichts dazu sagen … Wie? Warum es bei mir so windig ist? Weil ich auf Sylt festsitze …«
Jonas verzog sich ins Haus, um erst einmal Kaffee zu kochen. Danach sah die Welt bestimmt schon ganz anders aus. Beim Eintreten registrierte er, dass die Zwillinge im Wohnzimmer vor dem Fernseher saßen, was er nicht guthieß, so mitten am Tag, aber ihm fehlte die Kraft für eine Auseinandersetzung. Also ließ er sie gewähren, ging in die Küche und stellte mit einem Blick aus dem Fenster fest, dass Benny und Sophie im Garten damit beschäftigt waren, ein Zelt aufzubauen. Na bitte. Wenigstens die eine Hälfte seiner Brut würde nicht komplett verdummen.
Er schaltete die Kaffeemaschine ein, arrangierte Teller, Becher und den Kuchen auf einem Tablett und trug alles auf die Terrasse hinaus, wo Isabel ihr Gespräch inzwischen beendet hatte. »Der Kaffee ist gleich durch«, sagte er. »Bist du bereit für eine Pause?«
»Ja – klar. Moment noch.«
In dem Versuch, das Tablett abzustellen, schob Jonas ein leeres Milchglas an die Seite und bemerkte im selben Augenblick, dass es eigentlich als Briefbeschwerer für die darunterliegenden Papiere gedient hatte. Zu spät. Der Nordseewind schickte eine Bö vorbei und wehte Isabels Unterlagen kreuz und quer in die Hagebuttensträucher auf dem Friesenwall.
»Pass doch auf!«
»Entschuldige, ich hab das nicht gesehen …«
Doch Isabel war schon aufgesprungen, um ihren Blättern hinterherzujagen. Jonas setzte ihr nach, stieg auf den Wall und warf sich beherzt in die Büsche.
»Tut mir echt leid«, ächzte er, während er ein Papier nach dem anderen aus dem Geäst zupfte. »Aber mach dir keine Sorgen – wir kriegen das schon wieder hin.«
Unvermittelt hielt seine Frau inne. »Gar nichts kriegen wir hin.«
»Ach was, wir haben doch schon fast alles wieder beisammen …«
»Ich meine nicht die Unterlagen. Sondern uns.«
Jonas ließ die Arme sinken. Die Sonne brannte vom Himmel, doch ihm war plötzlich eiskalt. »Was sagst du da?«
»Du, die Kinder und dein Kuchen – das alles funktioniert nicht mehr. Jedenfalls nicht für mich.«
»Was willst du dann?«
Isabel hatte Tränen in den Augen. »Du wirst mich hassen, wenn ich es dir sage.«
»Ich könnte dich niemals hassen.«
»Es … es gibt da einen Lehrauftrag an der Universität Stockholm. Ich könnte für zwei Jahre nach Schweden gehen und Deutsch unterrichten.«
»Verstehe.«
»Nein, du verstehst nicht«, widersprach sie. »Ich habe wirklich versucht, zu euch zurückzukommen, glaub mir das bitte. Aber obwohl ich euch alle sehr liebe, fühle ich mich wie ein Zaungast in meiner eigenen Familie!«
»Denkst du etwa, wir schließen dich aus?«
»Nicht ihr schließt mich aus. Ich schließe mich aus. Einfach, indem ich es nicht schaffe, mit dem zufrieden zu sein, was wir haben!« Sie atmete tief durch, bevor sie weitersprach. »Weißt du – die Kinder, das Leben in der Provinz, das alles war immer dein Traum, nie meiner. Ich habe nur mitgemacht, weil ich ungeplant schwanger wurde und sehr verliebt in dich war. Aber jetzt reicht das irgendwie nicht mehr, verstehst du?«
»Durchaus.«
»Bitte, sieh mich nicht so vorwurfsvoll an. Du merkst doch auch, dass es mit uns nicht mehr dasselbe ist.«
»Wie könnte es?« Er trat einen Schritt zurück. »Wir haben eine Trennung hinter uns! Da war doch von Anfang an klar, dass es schwierig wird!«
»Dann gibst du also zu, dass das Gefühl weg ist?«
Jonas dachte an Kati und spürte einen kleinen, vertrauten Schmerz in der Magengegend. »Es ist viel passiert«, wich er aus. »Große Gefühle habe ich deshalb auch gar nicht erst erwartet. Ich hatte nur gehofft, dass …«
»Ja?«
»Dass uns mehr verbindet als rosarotes Liebesgesäusel. Dass wir eine Durststrecke miteinander durchhalten, einfach nur, weil wir uns wichtig sind und Verantwortung für vier Kinder haben.«
»Du bist mir wichtig«, sagte sie leise. »Aber ich
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