Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)

Titel: Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federico Baccomo
Vom Netzwerk:
Füßen spüre, ihn mir wieder wegzuziehen vermag.
    »Ach, Endru, ich habe noch etwas vergessen.«
    Ich drehe mich um.
    Giuseppe kritzelt weiter an dem, was ich jetzt als Titten erkenne, und sagt, als würde er laut nachdenken:
    »In Treviso. Das Treffen ist in Treviso.«

10
    Die Eins-sechzig-Marke erreicht Cardellini nicht.
    Er trägt eine zu große Hose, die er vor dem Bauchnabel zusammenrafft, so dass der Stoff in Form von Abwasserrinnen zu Boden fließt und seine Schuhe kaum zu sehen sind. Das Jackett ist ebenfalls zu groß, schlackert an den Schultern und bedeckt seinen Hintern zur Gänze. Er sieht aus wie einer dieser Verrückten, die für den jährlichen Besuch der Verwandten herausgeputzt werden – derselben Verwandten, die ihn in die Anstalt eingeliefert haben. Und wenn es nur der Anzug wäre! Was an diesem Mann wirklich aufstößt, ist sein Kopf, der wie ein Atompilz aus dem Hemdkragen ragt.
    Dieses schauderhafte Wesen hat soeben mein Büro betreten.
    Es zieht eine Schleimspur hinter sich her, die mit Händen greifbar ist: Dieser Hintern wurde in den Umkleidekabinen verschiedener Schulen mit Handtüchern versohlt, und von Seiten des weiblichen Geschlechts erfuhr diese Figur nichts als Zurückweisung, die sich – je nach Laune – der Akne verdankt oder der Tatsache, dass die Frauen eben Nutten sind . Durchwachte Nächte, um für Bestnoten zu büffeln, würden aber irgendwann – da war sich dieser Mensch stets sicher – alle bislang verschlossenen Türen öffnen. Und nun hat er entschieden, dass der Moment gekommen ist, sich für das erlittene Unrecht schadlos zu halten und jene Bedeutung zu erlangen, von der er seit Kindertagen träumt, seit nämlich die Mamas beim Anblick der anderen Kinder reihenweise in Entzückung ausbrachen: »Aber nein, was für ein allerliebstes Kind!«, »Schau mal, was für ein wunderschönes Engelchen!«, »Nein, zum Abküssen, das Kleine!« Um schließlich über ihn zu sagen: »Äh … Toll, der kann ja schon laufen.«
    Seither tut er nichts als zu laufen, über alles und alle hinweg, ein von Rachedurst und Aufstiegswut bestimmter Weg. In der Kanzlei gilt er als einer der Besten, verächtlich, skrupellos, hochmotiviert. Einer, vor dem man sich in Acht nehmen sollte. Ich rede praktisch nie mit ihm. Und jetzt steht er vor mir, und ich frage mich, was er will.
    »Campi, nur eine kurze Frage.« Er schließt die Tür. »Wie heißt das Wundershampoo gegen Schuppen?«
    »Hä?«
    »Pietro hat gesagt, dass du…«
    »Pietro ist ein Schwachkopf. Er macht sich über dich lustig, merkst du das nicht?«
    »Aha.« Dann schweigt er. »Also?«
    »Also gar nichts. Ich habe keine Schuppen.«
    Er schaut mich wütend an, während seine Schleimspur um ein weiteres Partikelchen wächst. Dann macht er auf dem Absatz kehrt und geht. Bevor er jedoch die Tür schließt, bleibt er einen Augenblick stehen und dreht sich dann wieder um.
    »Ich habe das mit Achille gehört.«
    »Tja, ein Jammer.«
    »Ein Jammer?« Cardellini schließt die Tür wieder. »Komm schon, Campi, mir kannst du es ja sagen. Du platzt vermutlich vor Begeisterung.«
    »Ach ja?«
    »Absolut. Da glimmt doch ein Hoffnungsschimmer.« Cardellini breitet theatralisch die Arme aus. »Was sage ich? Ein ganzes Wetterleuchten. Alles für dich. Achille ist raus, du bist drin. Das ist, als würde man ein Spiel gewinnen, weil der Gegner aufgibt. Keinerlei Mühe, nur Lorbeeren. Sieg. S-i-e-g.« Er schaut zur Decke und malt mit der Hand unsichtbare Buchstaben in die Luft.
    »Cardellini«, sage ich und zeige auf sein Gesicht. »Du sabberst.«
    »Ich habe gehört, dass sie dir das Dreifürzwei-Project geben wollen.«
    »Sie haben es mir schon gegeben.«
    » Sie haben es dir … Hör zu, Campi, ich will ganz ehrlich sein.« Er stützt seine Hände auf meinen Schreibtisch. »Du bist zu jung und außerdem – mit Verlaub – ein wenig naiv. Dir fehlt die Erfahrung, der Überblick. Das kommt mit der Zeit, aber jetzt geht dir das noch ab. Bei einem solchen Projekt würdest du nicht nur nicht nach den nötigen Standards performen , du würdest dir möglicherweise sogar die Finger verbrennen. You’ll kill yourself . Ich werde mit Giuseppe reden. Er soll mich, ohne dich irgendwie bloßzustellen, auch in das Projekt stecken, damit ich dir zur Hand gehen und dich anleiten kann. Du bekommst dann die Gelegenheit, etwas zu lernen, ohne dich unter Druck gesetzt zu fühlen. Campi, ich sage das in deinem Interesse.«
    »Wo ich dich so vor mir stehen sehe …«

Weitere Kostenlose Bücher