Abonji, Melinda Nadj
silbern
glänzenden Kleiderhaken, die auf Ämtern üblich sind, bringen sie sie zum
Hängen, ein paar Hände, die sich über die verregneten Gesichter wischen, es
riecht nass und schwer, Seufzer sind zu hören, ach, dieser Regen!, und ein paar
Männer ziehen sich die Pullover über die Bäuche, so wie sie es immer tun, wenn
sie ihre Jacken ausgezogen haben, ein paar Frauen richten ihren Männern rasch
noch die Hemdkragen, sie schimpfen verständnisvoll mit Hemdkragenspitzen, die
sich tagsüber, während der Arbeit, in Pulloverinnenseiten versteckt haben. Man
begrüsst sich, plaudert ein wenig, es kommt allmählich Stimmung auf, und die
Plätze im Saal füllen sich.
Ein bisschen später als
geplant werden die langen, faltenlos fallenden Kunststoffvorhänge vom Hauswart
zugezogen, und die Stimmen werden sofort leiser, weil man mit dem Zuziehen der
Vorhänge ein unmissverständliches Zeichen dafür gibt, dass der
Gemeindepräsident die Bühne sogleich betreten wird, ich höre die Stimmen, die
gedämpfter werden, auch deshalb, weil die Vorhänge die Resonanzen erstaunlich
gut schlucken.
Liebe Mitbürgerinnen und
Mitbürger, ich heisse Sie recht herzlich willkommen im Namen der Gemeinde!, der
Gemeindepräsident, ein freundlich aussehender Mann Mitte sechzig (dem ich an
der Jungbürgerfeier die Hand geschüttelt habe), der einen einfachen Anzug
trägt, schildert kurz, worum es geht, und der Hauswart löscht die Lichter,
schaltet den Diaprojektor an, nun zeigen wir ein paar Bilder, sagt der
Gemeindepräsident, damit sich jene, die die Kocsis nicht kennen, ein Bild
machen können, damit jene, die sie schon kennengelernt haben, sich an sie erinnern,
hier, die beiden Kinder, Ildikö Kocsis, die in ein paar Monaten achtzehn wird,
ihre um knapp zwei Jahre jüngere Schwester Nomi, die Kinder sind nie negativ
aufgefallen, sagt der Gemeindepräsident, sie sprechen tadellos Deutsch, die
Ältere ist sogar mit ausserordentlich guten schulischen Leistungen hervorgetreten,
und der Gemeindepräsident räuspert sich vermutlich an dieser Stelle, die
Eltern, Rózsa und Miklós Kocsis, haben einen ausgezeichneten Leumund, ausser
ein paar kleineren Übertretungen im Bereich des Strassenverkehrs haben sie sich
nichts zu Schulden kommen lassen; die Gemeinde, die aufmerksam zuhört, das
rhythmische Schnappen des Projektors, hier die Familie im Freibad (Nomi und
ich, mit Zahnlücken und einem FJs in der Hand), und hier sieht man sie vor
ihrer Wäscherei (wir, die an diesem Abend, als über uns abgestimmt wird, vor
einem heissen Fetttopf sitzen, bei Iren, Sändor, Aranka und Attila, die nicht
glauben konnten, dass wir noch nie Fondue bourguignon gegessen haben, die uns
erklären müssen, wie lange man das Fleisch im Fett lässt, dass man das Fleisch
in die verschiedenen Saucen dipt, nicht schlecht, finden wir alle, schmeckt
sogar ziemlich gut, Vater, der uns alle zum Lachen bringt, weil es ihn
eigentlich langweilt, stundenlang vor einem Töpfchen zu sitzen, endlos lange
zu essen), wir kommen jetzt zur eigentlichen Abstimmung, sagt der
Gemeindepräsident, nachdem es im Saal wieder hell ist, der Diaprojektor
ausgeschaltet ist und eine junge Frau, als Helvetia verkleidet, sich neben das
Rednerpult des Präsidenten stellt, um dem Gemeindepräsidenten zu assistieren,
die Stimmen zu zählen. Wer für die Einbürgerung der Familie Kocsis ist, erhebe
die Hand! Ein Meer von Händen, das sich erhebt. Ich danke Ihnen, und wer gegen
das Einbürgerungsbegehren der Familie Kocsis ist, erhebe die Hand! Ein paar
Hände, die sich in die Luft strecken, ein verhaltenes Raunen, das durch den
Saal geht; Frau Köchli, die, wie es ihre Gewohnheit ist, ihren Schirm nicht in
den Schirmständer gestellt hat, sondern ihn auf der Toilette abgetrocknet hat
und ihn, bevor sie sich setzte, unter ihrem Stuhl verstaut hat, Frau Köchli,
die sich bückt, nach ihrem Schirm langt, mit ihm in die Luft und dann auf
Gesichter zielt, als sie mit einer ungewöhnlich forschen Stimme zu fluchen
anfängt. Herr Rampazzi, der im Gemeindehaus als Hauswart arbeitet (der uns in
der Wäscherei manchmal beim Ausliefern geholfen hat und dessen Sohn mit Nomi
zur Schule ging), hat erzählt, dass er sich bereits auf den Feierabend gefreut
hat, als die Frau Köchli, die er ehrlich gesagt schon immer komisch gefunden
habe, aufgeschossen sei wie ein Kaket, sie habe geschimpft, ob denn die, die jetzt gegen die
Familie Kocsis gestimmt hätten, sie überhaupt kennen würden, sie habe sogar
mit ihrem
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