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Abonji, Melinda Nadj

Abonji, Melinda Nadj

Titel: Abonji, Melinda Nadj Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tauben flieggen auf
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sagen nichts Spezielles
über den Verkehr, aber über das Wetter, dass es stürmen werde, schneien
möglicherweise. Hast du Töne, sagt mein Vater, schneien!, das hat uns gerade
noch gefehlt. Und im geeigneten Moment strecke ich ihm die Wasserflasche hin,
typisches Aprilwetter, sage ich. Kr nippt an der Flasche, antwortet, dass der
April uns mit seinem Scheisswetter verschonen könnte, ja, da hat er Recht,
denke ich (wir hätten auch nach Beograd fliegen und dann mit dem Bus
weiterfahren können, aber Vater flucht, wenn es um's Fliegen geht, sind wir mit
Beinen oder Flügeln zur Welt gekommen?, und es bringt gar nichts, wenn man ihm
sagt, dass Räder auch nicht unbedingt zu unserer Natur gehören).
    Wir fahren, fahren sprachlos.
Wenige Kilometer nach München machen wir einen kurzen Halt in einem kleinen
Kaff, trinken Kaffee, rauchen. Ich suche nach einem Wort, das der Anfang eines
Gesprächs sein könnte, ich, die diese Kaffkneipenatmosphäre schon immer verabscheut
hat, blättere in der Speise- und Getränkekarte, lese ein paar Gerichte vor,
die ich nicht kenne, und Vater fragt mich, ob ich etwas essen wolle, nein,
antworte ich, ich hätte keinen Hunger. Und eigentlich will ich mit Vater über
die Speisekarte reden, über das, was uns beiden vertraut ist, aber er zieht an
seiner Zigarette, schaut an mir vorbei, und seit gestern hat sich hinter seinen
Brillengläsern etwas Neues aufgetan, etwas völlig Unbekanntes, woran er mich,
da bin ich mir sicher, nicht beteiligen möchte. Vergiss nicht, aufs Klo zu
gehen, sagt er und nimmt die Brille von der Nase, reibt sich die Augen, ich
möchte bis Salzburg durchfahren. Gut, antworte ich, drücke meine Zigarette
aus, so, dass sie nicht mehr weiterqualmt, und einen Moment lang schaue ich
meinem Vater in die schutzlosen Augen, und ich würde gern einen Trost finden,
mein Herz würde ihn gern geben, diesen Trost, jetzt, da mein Vater ein
hilfloses Kind ist, aber ich, ich bin auch ein hilfloses Kind, seines,
wenigstens das würde ich ihm gern sagen, ich stehe auf, verschwinde rasch
Richtung Toilette.
    Es fängt tatsächlich an zu
schneien, die Flocken wirbeln gegen die Frontscheibe, bevor der Scheibenwischer
im raschen Takt und für kurze Momente wieder freie Sicht verschafft. Wenn diese
Hunde wenigstens lügen würden, sagt mein Vater, Ildi, schalt das Radio wieder
an, damit wir wissen, ob wir hier noch eingeschneit werden (und ich überlege
mir, ob das passen würde, dass wir beide, mein Vater und ich, stecken bleiben,
nicht mehr weiter kommen würden, ja, denke ich, es würde passen zu unserem
Leben, es wäre sehr gut möglich, dass wir nicht mehr weiter kommen, dass uns
das Schicksal zwingt, still im Auto zu sitzen, im Wissen, dass unsere Familie
vergeblich auf uns wartet), und wir hören den Sprecher, der die
Witterungsverhältnisse als schwierig bezeichnet, man solle vorsichtig fahren,
sagt er; ich fresse gleich deinen Schnabel, flucht mein Vater, welcher Idiot
fährt jetzt nicht vorsichtig? Sag uns lieber, wann uns der Himmel wieder in
Ruhe lässt, und ich halte meinem Vater die Wasserflasche hin, er winkt ab, hab
ich Durst, wenn es so schneit? Und ich, ich sehe Mamika vor mir, die in ihrem
festlichsten Kleid aufgebahrt liegt, die Schneeflocken bedecken ihr Gesicht,
tun ihm nichts an; ich frage mich, ob sie sie morgen aufbahren, wenn das Wetter
so bleibt, ich frage mich, ob Osterglocken auf dem Markt bereits erhältlich
sind, wahrscheinlich nicht, Traubenhyazinthen, die Mamika so geliebt hat,
würde ich vermutlich bekommen. Mein Vater fährt immer langsamer, da der
Schnee immer dichter fällt, so kommen wir nie an, und er schnappt sich eine
Zigarette, presst sie zwischen die Zähne, und seine Geste zeigt, dass es jetzt
nichts Dringenderes zu tun gibt, als eine Marlboro zu rauchen, um die Nerven
nicht zu verlieren, der bläuliche Qualm, der hilflos gegen die Frontscheibe
wirbelt, was soll ich tun, fragt Vater unvermittelt, und ich, die vor lauter
Überraschung fast nicht antworten kann, sage: Warten.
    Warten?, auf wen?, worauf?,
flucht Vater nach einer kurzen Pause, er muss seinen Flüchen freien Lauf
lassen, die Wörter, die wüsten, derben, fliegen wie flinke Fische aus seinem
Mund, und ich habe ihm nie gesagt, dass ich nichts lieber höre als seine
Verwünschungen und Flüche; in diesen Momenten nämlich, wenn Vaters Zunge vor
Aufregung federnde Geräusche produziert, den Kommunisten oder sonstigen
Verbrechern der Menschheitsgeschichte Beine macht, aber hoppla!, dann

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