Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abscheu

Abscheu

Titel: Abscheu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef
Vom Netzwerk:
Kühlerfront von Haralds Wagen noch vor mir entdeckt.
    Langsam öffnet sich das Tor, und Harald fährt die Auffahrt hinauf.
    Mir fällt ein Stein vom Herzen. Ich schalte den Motor wieder aus und ziehe die Handbremse an.
    Harald parkt seinen Jaguar vor der Scheune, steigt aus und kommt auf uns zu.
    Ich lasse das Fenster herunter. »Wo hast du denn die ganze Zeit gesteckt? Ich habe mir schon die größten Sorgen gemacht! Ich habe tausendmal versucht, dich anzurufen, aber dein Handy ist ausgeschaltet.«
    Er runzelt die Stirn und greift in seine Brusttasche. Seine beigefarbene Hose hat Flecken, die er offenbar vergeblich zu entfernen versucht hat.
    Harald zieht sein Handy heraus und schaut auf das Display. »Akku leer«, murmelt er und steckt es in die Hosentasche. Dann sieht er mich an. »Wo fährst du hin?«
    »Meine Mutter abholen, erinnerst du dich? Hast du vergessen, dass du heute Nachmittag auf die Kinder aufpassen solltest?«
    Harald schüttelt den Kopf. »Nein, hab ich nicht vergessen«, antwortet er leise.
    Ich will ihn schon fragen, wo er gewesen ist, denke aber rechtzeitig daran, dass die Kinder hinten im Auto sitzen. Später. »Was sind das denn für Flecken auf deiner Hose?«
    Mit ärgerlichem Gesicht winkt er ab, als verjage er eine Fliege. Dann nähert er sich meinem Auto und öffnet die hintere Tür. »Fahr jetzt lieber, sonst steckst du gleich im Stau. Ich komme schon mit den beiden zurecht.«
    »Wir haben Babykätzchen«, verkündet Charlotte, während sie sich aus dem Sicherheitsgurt windet. »Mama sagt, sie sehen aus wie Fleischkroketten. Willst du sie sehen?«
    »Ja, natürlich«, antwortet Harald. »Wie viele sind es denn?«
    »Zwei. Aber du darfst sie nicht anfassen«, plappert Fleur, »Reddy hat jetzt Instinkte, sagt Mama, und davon ist sie ganz böse geworden.«
    Zum Beweis zeigt Fleur ihre verbundenen Arme. Die halbe Klasse hat darauf unterschrieben, als seien es Gipsarme. Schon beim Aussteigen erzählt sie aufgeregt, was passiert ist.
    Harald schlägt die Tür zu. »Bis gleich«, verabschiedet er mich.

45
    Fleur und Charlotte sind schon vom Tisch aufgestanden, liegen der Länge nach auf dem Orientteppich im Wohnzimmer und ahmen verschiedene Stimmen nach. Die Plastikpüppchen aus dem Supermarkt, die meine Mutter ihnen mitgebracht hat, sind ein Bombenerfolg.
    »Sehr lecker, Claire, wirklich köstlich.« Meine Mutter legt den Dessertlöffel weg und sieht Harald an. »Du hast wirklich Glück, eine solche Frau zu haben.«
    Harald nickt abwesend, den Anflug eines Lächelns auf dem Gesicht. Er steht auf. »Es ist schon kurz vor acht. Ich möchte mir gern die Nachrichten ansehen.«
    Seitdem ich nach Hause zurückgekehrt bin, hat Harald kaum ein Wort gesagt. Im Grunde hat er nur gesprochen, wenn man ihn etwas gefragt hat. Er macht einen müden Eindruck. Dunkle Ränder zeichnen sich unter seinen Augen ab, und sein Gesicht ist blasser als sonst. Ich würde ihn gerne fragen, wo er gewesen und was vorgefallen ist, aber wir hatten noch keine Gelegenheit, miteinander zu reden.
    Ich fange an, den Tisch abzuräumen. Meine Mutter hilft mir natürlich. Sie dreht das warme Wasser auf und spült die Töpfe und die Auflaufform mit Resten der angebackenen Lasagne von Hand ab. Ich räume Teller, Gläser und Besteck in die Spülmaschine.
    »Möchtest du auch eine Tasse Kaffee, Mama?«
    »Gerne.«
    Bambi, der Hund meiner Mutter, steht unsicher in der Küchentür, die Ohren angelegt und mit hängendem Schwanz. Am liebsten würde sie ihrem Frauchen nicht von der Seite weichen, aber das tiefe Katzenknurren aus der Bananenkiste hält sie davon ab. Sie hat einen Heidenrespekt vor Reddy. Darüber, dass Bambi die Katzen jagen könnte, wenn sie demnächst hier wohnt, brauche ich mir keine Sorgen zu machen.
    Der Kaffee läuft durch, und ich nehme den letzten Topf von meiner Mutter an, trockne ihn ab und hänge ihn an einen der gusseisernen Fleischerhaken über der Kochinsel.
    Im Wohnzimmer sehe ich Harald vor dem Fernseher sitzen. Die Nachrichten laufen. Ich gebe ihm einen Kuss auf den Kopf. »Möchtest du auch eine Tasse Kaffee?«
    Keine Antwort.
    Ich umrunde das Sofa und sehe, dass seine Augen geschlossen sind und sein Mund ein klein wenig offen steht. Harald schläft.
    »Claire? Bambi muss mal raus. Darf sie in den Garten?«
    »Natürlich, Mama«, sage ich. »Ich begleite dich.«
    Die Türen zum Garten stehen offen, und gemeinsam gehen wir hinaus auf die Terrasse. Bambi schnuppert sofort überall herum und macht Pipi. Danach

Weitere Kostenlose Bücher