Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Abschied von Eden

Titel: Abschied von Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
Vom Netzwerk:
sich, und das verdammt fix.
    Er rannte zwei Blocks die Pine Road entlang und bog dann in die Ohio Avenue. Die Baufirma hatte sich bei den Straßennamen als besonders phantasievoll erwiesen. Die von Norden nach Süden hießen nach Bäumen, die von Osten nach Westen nach Staaten.
    Der Ton wurde schriller, einer, der Decker nur allzu vertraut war. Sein Herz begann zu rasen. Er spürte einen Adrenalinstoß. Die Laute waren jetzt ganz deutlich wahrnehmbar – ein helles jammern. Verdammt seltsam, daß nicht die ganze Gegend davon wach geworden war.
    Er lief in die Richtung, aus der das Gejammer kam, und forderte dabei per Funk Unterstützung an – Schreie Ecke Ohio und Sycamore gehört. Dann zog er seine Waffe.
    »Polizei!« rief er. »Keine Bewegung!«
    Seine Stimme hallte durch die Dunkelheit. Das Weinen hielt an, war allerdings etwas leiser geworden.
    »Polizei!« brüllte Decker erneut.
    Eine Tür ging auf.
    »Was machen Sie da draußen?« fragte eine tiefe Männerstimme schlaftrunken.
    »Polizei«, antwortete Decker. »Bleiben Sie im Haus, Sir.«
    Die Tür knallte zu.
    Auf der anderen Straßenseite leuchtete im Obergeschoß ein Fenster auf. Ein Gesicht erschien zwischen den Gardinen.
    Erneut verstummte das Weinen. Stille, dann ertönte der Gesang einer Spottdrossel begleitet von einem Grillenchor.
    Das Gejammer begann von neuem, diesmal waren es heftige Schluchzer, zwischen denen immer wieder nach Luft geschnappt wurde. Offenbar eine Frau, möglicherweise ein Vergewaltigungsopfer.
    Er wäre also ohnehin gerufen worden.
    »Polizei!« rief Decker in die Richtung, aus der das Weinen kam. »Bleiben Sie, wo Sie sind, Ma’am. Ich möchte Ihnen helfen.«
    Das Schluchzen hörte auf, doch er hörte deutlich Schritte, die durch die Eugenien stapften, gefolgt von dem Quietschen ungeölten Metalls. Decker spürte, wie seine Finger den Griff der Beretta umklammerten. Die Wolken am Himmel hatten die Farbe von Austern, das Gesicht des Mannes im Mond lächelte. Es war hell genug, um auch ohne Taschenlampe ganz gut sehen zu können.
    Dann sah Decker etwas Metallisches aufblitzen!
    Er sprang hinter den Eugenien hervor und brüllte: »Keine Bewegung!«
    Die Reaktion war ein überraschtes Kichern.
    Das Kind war offenbar noch keine zwei Jahre alt, es hatte nämlich immer noch die runden Bäckchen eines Babys. Schwer zu sagen, ob es ein Junge oder ein Mädchen war, jedenfalls hatte es den ganzen Kopf voller Ringellocken und große runde Augen. Es saß vor einem der Häuser auf einem Schaukelpferd und wiegte sich hin und her. Kleine Händchen hielten sich an den Griffen fest, die Augen waren staunend nach oben gerichtet. Decker wurde bewußt, daß er immer noch die Waffe in der Hand hielt, einen Finger am Abzug. Zitternd steckte er die Automatik wieder in das Schulterholster und bestellte per Funk die Unterstützung ab.
    »Runter«, befahl ein zartes Stimmchen.
    »Um Himmels willen!« Decker hielt das Schaukelpferd an. Das Kind kletterte herunter.
    »Hoch«, sagte es und streckte die Hände in die Luft.
    Decker hob das Kind hoch. Sofort schmiegte es den Kopf an seine Brust. Er streichelte die seidigen Löckchen.
    »Ich ruf’ die Polizei!« schrie eine verängstigte Stimme aus dem Haus.
    »Ich bin die Polizei«, antwortete Decker. Er ging zur Haustür und hielt seine Dienstmarke vor den Spion. Die Tür öffnete sich einen Spalt, die Kette blieb vorgelegt. Decker konnte unrasierte Haut und ein dunkles, mißtrauisches Auge erkennen.
    Decker sagte: »Ich hab’ dieses Kind auf dem Rasen vor Ihrem Haus gefunden.«
    »Mein Gott!« sagte eine erstickte Frauenstimme.
    »Wissen Sie, wem dieses Kind gehört?« fragte Decker.
    »Kennste das Kind, Jen?« fragte der Mann schroff.
    Die Tür ging ganz auf.
    »Den haben sie vor meinem Haus gefunden?« sagte Jen. Sie schien Anfang Dreißig zu sein, hatte dunkelbraunes Haar, das zu einem Knoten gedreht war. »Das ist ja noch ein Baby!«
    »Ja Ma’am«, sagte Decker. »Ich hab’ ihn oder sie auf Ihrem Schaukelpferd gefunden.«
    »Ich hab’ das Kind noch nie im Leben gesehen«, antwortete Jen.
    »In dieser Gegend hier wimmelt es von so kleinen Würmern«, sagte der unrasierte Mann. »Ich kann Ihnen nur sagen, daß er ganz bestimmt nicht von uns ist.«
    »Hier leben viele junge Familien«, sagte Jen und zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Es ist schwierig, sich all die Kinder zu merken.«
    »Es hat keinen Sinn, die ganze Nachbarschaft aufzuwecken. Morgen früh werden wir sicher einen Anruf von den

Weitere Kostenlose Bücher