Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Abschied Von Freistatt

Titel: Abschied Von Freistatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
Vom Netzwerk:
Chenaya. »Ich wußte, wer Ihr seid, als ich Euch fallen.«
    Plötzlich hielt sich Chenaya die Hand vor den Mund. Sie hatte gesprochen! Das hatte sie nicht gewollt, aber es war geschehen. Sie sah angsterfüllt zum Himmel hoch. Seine graue
    Farbe verfinsterte sich bereits. Mit einer Hand griff sie nach dem Brillantbeutel unter ihrem Kittel. Es pochte gegen ihre Haut mit einem unhörbaren Dröhnen, das sie erschütterte.
    Sie packte die alte Frau mit der freien Hand an der Schulter. »Seht zu, daß ihr nach Hause kommt«, sagte sie in drängendem Ton zu den Umstehenden. »Macht die Fenster dicht und seht nicht in den Himmel! Glaubt mir! Beeilt euch!«
    Die Menge starrte einen Augenblick ungläubig drein, zweifelsohne fragten sie sich, ob sie nicht vielleicht auf den Kopf gefallen war. Reyk schlug die Flügel, als wolle er sie fortscheuchen, aber sie zögerten noch immer. Dann, als ob sie erkannte, daß Eile geboten war, verbeugte sich die alte Frau kurz und eilte davon. Das genügte, den Bann zu brechen, der die Menge gefangenhielt. Sie sahen hoch zum Himmel, dann zu Chenaya, klemmten sich ihre Körbe unter den Arm und machten sich auf und davon.
    Chenaya wirbelte herum und starrte auf den Eckstein des rankanischen Tempels. Hier, fast am selben Platz, hatte sie ihren Dolch mit der Spitze in der Erde wiedergefunden letzte Nacht, und hier war ihr diese Vision des heranstürzenden Geistes erschienen. Nun hatte sie die zweite Vision gehabt.
    »Hoch, Reyk!« befahl sie und ließ den Falken los. Ihr Pferd wartete ruhig, wie man es ihm beigebracht hatte. Sie ließ es stehen und rannte in den Tempel. Rashan und ein Dutzend Priester arbeiteten hart, sie ließen das Sonnenrad an den großen Ketten herab, an denen es über Savankalas Altar hing.
    »Rashan!« rief sie. Es erschien ihr nun sinnlos, Schweigen zu bewahren. Es war geschehen. Sie konnte fühlen, wie der Brillant gegen ihre Brust pulsierte. Rashan sah sie und eilte ihr entgegen, so geschwind ihn seine alte Beine trugen. Die anderen hielten mit der Arbeit inne, um zu verfolgen, was sich tat.
    »Eure Stimme.«, begann er, aber Chenaya bedeutete ihm mit ungeduldiger Geste zu schweigen.
    »Der Stein ist in Gefahr«, berichtete sie dem Priester rasch. »Wir sind alle in Gefahr!« Sie fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen, schluckte und faßte sich wieder. »Zuerst aber sagt mir, liegt dort unter dem Eckstein des Tempels etwas begraben? Lügt nicht, und antwortet schnell!«
    Jetzt mußte Rashan schlucken. »Jeder Große Tempel wird mit einem Opfer eingeweiht«, erklärte er.
    »Ein Menschenopfer?«
    Er nickte. »Es war vor einigen Jahren in der Nacht des Zehntodes geschehen, Vashanka zu Ehren. Er verlangte solche Opfer.«
    Chenaya unterbrach ihn. »Vashanka ist verbannt«, sagte sie kurz. »Entfernt sein Bildnis aus diesem Ort. Aber jetzt geht sofort an die Arbeit. Nehmt die Hälfte Eurer Priester und grabt mit ihnen das Ding aus. Seht zu, daß Ihr es los werdet. Was immer es auch sein mag, es ist Savankala zuwider. Es vergiftet den Tempel.«
    Rashan sah sie ungehalten an. »Woher wollt Ihr all das wissen?«
    Sie packte ihn am Gewand und starrte ihn finster an. »Ich bin die Sonnentochter, alter Mann!« sagte sie und ließ ihn unsanft wieder los. »Ihr und der Leuchtende Vater wolltet beide eine Hohepriesterin. Ihr habt meine Herkunft in der ganzen Stadt gepredigt, leugnet es nicht! Ich tue es auch nicht mehr. In der Wüste, weit fort von hier, kam Savankala zu mir, und ich willigte ein.« Sie zog den Beutel hervor und drückte ihn in ihrer Faust. Das Pulsieren war jetzt stärker, verzweifelter. »Deshalb habe ich das Feuer im Auge Gottes. Er beauftragte mich, es zu stehlen und hierherzubringen!«
    »Aber es ist eine öffentliche Straße!« protestierte Rashan lauthals. »Wenn wir versuchen, es auszugraben, werden uns Walegrins Männer gewiß Einhalt gebieten!«
    Chenaya packte ihn am Ärmel und zerrte ihn nach draußen. »Seht nach oben!« brüllte sie ihm ins Ohr.
    Der Himmel hatte die Farbe eines schweren Blutergusses angenommen. Purpurne und gelbe Wolken rollten aus dem Norden herauf. Nur die blasseste Andeutung von Sonnenlicht war durch die selten auftretenden Risse zu sehen. Ein Wind fegte durch die Straßen, der dicken Staub und Abfall hochblies. Freistatts Bewohner liefen durch den Sturm, und ihre Kleidung peitschte um sie.
    Strahlen, die in Regenbogenfarben funkelten, drangen aus dem Beutel um Chenayas Hals, was ihr Gesicht unheimlich von unten

Weitere Kostenlose Bücher