Abschlussfahrt
Bestätigung bittend an.
»Aber mit Cola«, sagt Seba.
Diego und ich nicken zustimmend.
»Okay, Havana«, grinst Marlon.
»Ich steig aus, Leute«, stöhnt Diego eine Stunde später und lässt sich schlaff in seinen Sitz zurückfallen. »Noch einen Schluck und ihr könnt halb Havana hier vom Boden aufwischen. Madre de Dios.«
»Okay, Auszeit!«, sagt Marlon und kippt gierig seinen Becher auf ex ab.
»Auszeit beendet, weiter geht’s. Sind noch alle außer unserer Señorita dabei?«
»Logisch«, sagt Lars.
»Klar doch«, stimmt Seba zu.
»Wir sind doch nicht zum Spaß hier!«, sage ich.
»Ey, guckt mal«, sagt Seba irgendwann und zeigt auf Diego. »Wie geil ist das denn!«
Diego ratzt mittlerweile tief und fest. Sein Mund steht weit offen und gibt seltsame Geräusche von sich. Und er knetet mit der linken Hand kräftig in seinem Schritt herum. Dazu fällt mir natürlich nur eins ein: »Ich würde sagen: Diego Alvarez verhält sich seinen Mitschülern gegenüber im Genitalbereich sexuell unsensibel.«
»Mach mal einer ein Foto!«, lacht Seba. »Schnell!«
Ich packe mein Handy aus und drücke zweimal auf den Auslöser.
»Wartet mal!«, sagt Marlon und fängt wieder an, in seiner Tasche zu wühlen. »Das geht noch besser!«
Da ist es wieder, dieses fiese Marlon-Grinsen. Ich ahne Böses.
Marlon zieht seine Hand aus der Tasche und streckt uns triumphierend einen Edding entgegen, einen roten Edding, mittlere Größe. Er zieht die Kappe ab, gibt uns ein Zeichen leise zu sein, steht auf und rückt ganz nah an Diego heran.
»Was hast du vor?«, flüstert Lars.
»Wer einschläft, hat verloren«, erwidert Marlon.
Er schiebt sich noch näher heran, der Edding setzt auf Diegos linker Wange auf. Diego zuckt zusammen, nimmt die Hand aus dem Schritt und fährt sich damit übers Gesicht, die Augen immer noch geschlossen. Marlon lauert mit dem Edding in der Hand über Diegos Wange wie ein Geier in der Hoffnung auf die letzte Zuckung seines Mittagessens. Diego verschränkt seine Arme über der Brust und fängt wieder an zu schnarchen. Der nächste Anlauf. Ein kurzes Zucken, als der Edding wieder aufsetzt, danach keine Reaktion mehr. Marlon malt zwei Schlangenlinien senkrecht an Diegos Wange hinab. Hä? Was soll das denn werden? Moderne Kunst? Ach so, jetzt kapier ich’s. Zwei Punkte und ein Dreieck machen alles klar. Das soll ein nackter Frauenkörper sein. Ich muss mich beherrschen, nicht laut loszuprusten. Lars und Seba drängen sich kichernd an meine Seite, um es auch sehen zu können. Marlon lehnt sich ein Stück zurück, betrachtet sein Werk und hält sich den Mund zu, um nicht zu lachen. Dann beugt er sich wieder über Diego und setzt den Edding an der rechten Wange an. Wir versuchen etwas zu sehen, können aber von unseren Positionen aus nichts erkennen, da Diegos rechte Seite von uns abgewandt ist. Als Marlon fertig ist, schiebt er die Kappe sichtlich zufrieden mit seiner Arbeit zurück auf den Edding. »So. Das nenne ich ein perfektes Motiv für ein Foto.«
Lars und Seba drängen sich an mir vorbei, Marlon macht ihnen Platz. Die beiden brechen zusammen vor Lachen, als sie Diegos Gesicht sehen.
»Scht!«, zische ich. »Lasst mich doch erst mal das Foto machen!«
Lars packt Seba am Arm und zieht ihn aus dem Abteil. Als sie die Tür hinter sich geschlossen haben, dringt ihr gedämpftes Gegröle zu uns herein.
Ich stehe auf und stelle mich mit gezücktem Handy vor Diego. Auf seiner rechten Wange stehen in Blockschrift die Worte: WIXEN OLÉ!
Ich muss ein Lachen unterdrücken und dabei fällt es mir schwer, das Handy ruhig zu halten.
»Warte!«, sagt Marlon. »Moment noch!«
Er hebt Diegos Arm vorsichtig an und schiebt ihn nach unten, bis Diegos Hand auf seinem Schritt liegt. Ich platze gleich vor Lachstau.
»Jetzt mach schon!«, drängt Marlon glucksend und nach Luft schnappend. »Drück ab!«
Ich reiße mich für drei Sekunden zusammen, halte das Handy krampfhaft ruhig und drücke auf den Auslöser. Keine zwei Sekunden später finde ich mich mit Marlon und den anderen brüllend vor Lachen draußen auf dem Gang wieder.
»Okay«, keucht Marlon, als wir uns einigermaßen beruhigt haben. »Kein Wort zu Diego, verstanden? Wenn er wieder aufwacht, darf keiner lachen! Ihr müsst euch ganz normal verhalten, okay?«
»Das pack ich nicht«, sagt Seba und prustet wieder laut los. »Wenn ich nur dran denke, schmeiß ich mich ja schon weg!«
»Dann reiß dich gefälligst zusammen«, erwidert Marlon und wendet sich
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