Abschlussfahrt
heißt natürlich, Marlon hat gesprüht. Lars, Diego und ich standen nur daneben und haben uns schlapp gelacht. Seba hatte eigentlich auch mitkommen wollen, aber dann hat die Prinzessin angerufen und er ist sofort zu ihr gerannt, wie immer in letzter Zeit. Das nervt wirklich langsam, aber das ist ein anderes Thema.
Jedenfalls hat Betzel am nächsten Morgen in der Schule irgendwie Wind davon gekriegt, dass Marlon und ich daran beteiligt waren, und es sofort Wuttke gesteckt. Selbstverständlich haben wir alles auf unsere Kappe genommen und Lars und Diego da rausgelassen. Dafür waren wir dann die beiden Einzigen auf der Feier, die nicht nach vorne gerufen wurden, um ihre Zeugnisse in Empfang zu nehmen. Aber wenigstens durften wir überhaupt teilnehmen. Sonst hätten wir nämlich verpasst, wie Betzel bei seiner Rede zwanzig Eier um die Ohren geflogen sind. Und mindestens die Hälfte davon hat getroffen. Am liebsten hätten wir die Eier natürlich selbst geworfen, schließlich hatten wir sie ja noch extraschnell besorgt, als herauskam, dass er uns verpfiffen hatte. Aber der Müller, unser Sportlehrer, hat uns leider mit den beiden Eierkartons in der Hand vor der Turnhalle erwischt. Allerdings hat er sie uns nicht abgenommen. Er hat nur gesagt, dass es sehr dumm wäre, wenn ausgerechnet wir mit Eiern werfen, weil damit sowieso jeder rechnet und wir sofort dran wären. Dann hat er uns noch zugezwinkert und ist weitergegangen. Sehr cool, der Müller. Fast so cool wie Dressel und Sascha, die das Werfen dann äußerst erfolgreich für uns übernommen haben. Klar, dass Wuttkes Blick sofort zu uns ging, als Betzel das erste Ei an der Schulter erwischte. Aber wir standen nur mit fest vor der Brust verschränkten Armen in der letzten Reihe und grinsten ihn an. Das konnte er uns nicht mehr in die Schuhe schieben, aber dafür dürfen wir jetzt mitten in den Ferien diesen Riesenpimmel auch selbst von der Waschbetonwand schrubben, was sich als äußerst schwierig und anstrengend erweist.
»Na, Probleme?«, ertönt da eine weibliche Stimme hinter uns.
Wir setzen die Schrubber ab und drehen uns um. Es ist Nele.
»Sieht verdammt schweißtreibend aus.«
»Das kannst du allerdings laut sagen«, stöhnt Marlon und wischt sich mit dem Handrücken die Stirn ab. »Das Zeug geht einfach nicht ab.«
Nele kommt auf mich zu. Wir küssen uns links und rechts zur Begrüßung. Auf den Mund küssen wir uns schon lang nicht mehr. Direkt nach der Abschlussfahrt haben wir versucht, nicht mehr nur so zu tun, als wären wir zusammen, sondern richtig zusammen zu sein. Aber das hat irgendwie nicht geklappt. Das Toskana-Gefühl war weg, bei uns beiden. Und ohne dieses Toskana-Gefühl sind wir wieder genau das, was wir vorher waren, gute Freunde. Nein, bessere sogar noch, würde ich sagen. Denn jetzt steht nie wieder die Frage zwischen uns, ob eventuell einer von uns etwas mehr wollen könnte als der andere. Wir hatten beide etwas mehr und es hat nicht funktioniert. So ist das wohl manchmal. Keine Tränen, kein Bereuen, kein Problem.
»Kennst du dich mit Salzsäure aus?«, frage ich Nele.
»Wie, auskennen?«, fragt sie zurück.
»Weißt du, wie viel man davon in so einen Eimer kippen kann, ohne dass er wegätzt?«, fragt Marlon.
Nele zuckt mit den Schultern. »Keine Ahnung. Probieren wir’s doch einfach mal.«
Sie schraubt die Flasche mit der Salzsäure auf.
»Sei aber vorsichtig!«, sage ich und trete zwei Schritte zurück, Marlon ebenfalls.
»Na, ihr seid mir vielleicht zwei Helden«, sagt Nele lachend und kippt vorsichtig etwas Salzsäure in den Eimer.
Wir beugen uns zaghaft alle drei über den Eimer und warten auf eine Reaktion. Nichts passiert.
»Mehr?«, fragt Nele, die Flasche schon wieder im Anschlag.
»Nein!«, hält Marlon sie zurück. »Lass es uns erst mal damit probieren.«
Marlon und ich greifen wieder zu den Schrubbern und bearbeiten die Wand. Der Riesen-Phallus scheint tatsächlich etwas schwächer zu werden.
»Na also.« Nele klopft uns auf die Schultern. »Geht doch. Ich muss dann mal weiter. Viel Spaß noch, Jungs!«
»Ja, du mich auch«, stöhnt Marlon.
»Danke für die Hilfe«, rufe ich ihr noch nach.
Wir schrubben mit voller Kraft ein paar Minuten weiter, es geht voran, wenn auch sehr langsam.
»Also, eins sag ich dir«, ächze ich Marlon zu. »Auf dem Gymnasium mache ich so eine Scheiße jedenfalls nicht mehr.«
Marlon grinst mich an. »Natürlich nicht. Auf dem Gymnasium gibt es ja auch keinen Spaß mehr.
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