0277 - Im Penthouse der Angst
Und diesen Funken wollte Suko vermeiden. Er wollte keine Eskalation der Gewalt.
Beide Klingen blitzten. Hin und wieder wurden sie von einem verirrten Lichtstrahl getroffen, der aus den Leuchtstoffröhren eines Reklamespruchs fiel und auf den Klingen diese Reflexe hinterließ.
Ansonsten war die Umgebung dunkel. Suko und der Schwarze wurden von düsteren Brandmauern eingerahmt. Eine reine Hinterhof-Kulisse.
Der Inspektor lächelte. »Komm«, sagte er leise. »Gib die beiden Messer her. Es ist in deinem Interesse.«
Der Schwarze schüttelte den Kopf. Dann hob er die Schultern, und Suko machte sich schon auf einen Angriff gefaßt, doch der Mann sackte wieder zusammen und nahm eine völlig normale Haltung an. Normal für ihn, denn die Spitzen der Klingen wiesen auf den Chinesen.
»Weshalb machst du es uns so schwer, Freund?« fragte Suko.
»Geh! Geh weg!« flüsterte der Neger. »Verschwinde endlich, du verdammter Hurensohn.«
»Sicher gehe ich, aber mit dir!«
»Ich bleibe.«
»Und weshalb hast du das Mädchen angegriffen?«
»Habe ich nicht!« zischte er.
»Ich hörte die Schreie. Jetzt ist die Kleine verschwunden. Aber ich bin mir sicher, daß du es gewesen bist, der sie…«
Der Schwarze trat mit dem Fuß auf. »Geh zum Teufel, du verfluchter Chinese!«
»Nach dir, mein Junge.« Suko blieb äußerlich gelassen, war innerlich jedoch sehr gespannt. Er ging einen Schritt vor und mußte sofort wieder zurück, denn der rechte Arm des Schwarzen zuckte vor, und die gekrümmte Klinge wischte ziemlich nahe an Sukos Gesicht vorbei.
Er hob die Arme. »Ich will nichts von dir. Ehrlich nicht Ich will dir nur erklären und…«
»Hau ab, Mann!«
»Aber nicht doch…«
Der Schwarze schüttelte sich. Suko rechnete mit einer Antwort oder einem Angriff. Eine Antwort erhielt er. Allerdings auf eine Weise, mit der er nicht gerechnet hätte. Der Schwarze vor ihm begann leise zu singen.
»Zehn kleine Negerlein, die waren gute Freunde, doch einen holte schnell der Teufel, da waren es nur noch neune…«
Vielleicht hätte ein anderer gelacht, diesen Text aus dem Mund eines waffenstarrenden Mannes zu hören. Suko jedoch war nicht danach zumute, sein Gesicht verschloss sich für einen Moment und nahm einen nachdenklichen Ausdruck an.
Zehn kleine Negerlein, hatte der Mann vor ihm gesungen. Und er hatte es sicherlich nicht aus Vergnügen getan. Etwas steckte dahinter. Aber was konnte das sein?
Doch einen holte schnell der Teufel, da waren es nur noch neune!
So hatte der Mann gesungen und den eigentlichen Text des Liedes abgeändert. Was Suko dabei so störte, war das Wort Teufel! Es machte ihn stutzig und alarmierte ihn.
»Warum singst du das Lied?« fragte er.
»Es gefällt mir, Chinese.«
»Wirklich?«
»Ja, sonst würde ich es nicht singen.« Der Schwarze ging einen halben Schritt vor und blieb nun so dicht am Rand des offenen Gullys stehen, daß seine Fußspitzen mit dem Rand bündig abschlossen.
»Willst du zum Teufel?« fragte Suko.
Der Schwarze bog für einen Moment den Kopf zurück. Jetzt hätte Suko ihn angreifen können, aber er unterließ es. Vielleicht änderte er das Vorhaben des Mannes doch noch mit einigen vernünftigen Worten. Man mußte nur alles versuchen.
Blitzschnell richtete der Schwarze wieder seine Klingen auf den Inspektor. »Der Teufel«, hauchte er dabei, »der Teufel lebt. Ich weiß es. Er holt uns. Wie die zehn kleinen Negerlein. Ich bin das zehnte. Er wird…« Dann sprach er nicht mehr weiter und kicherte nur noch.
»Was wird er?«
»Nichts, Chinese, gar nichts. Er wird kommen. Er kann auch dich holen, aber ich will dich ihm nicht so einfach geben. Ich habe etwas anderes mit dir vor.«
Suko blickte dem Mann ins Gesicht. Der Bursche war vom Alter her schwer einzustufen. Er konnte 30, aber auch 20 Jahre alt sein.
Eine helle Sommerhose trug er. Dazu ein Hemd, das über den Gürtel fiel. Und natürlich diese beiden verfluchten Messer.
»Was hast du mit mir vor?«
»Ich schlitze dir die Kehle auf!« versprach der Schwarze. »Einmal von rechts, dann von links.« Plötzlich lachte er. »Auch dich soll der Teufel haben, und vielleicht treffen wir uns in der Hölle wieder. Hast du gehört? In der Hölle!«
»Bin ja nicht taub«, erklärte der Inspektor. »Nur habe ich keine Lust, dir zu folgen. Ich will nicht dem Teufel die Hand schütteln. So etwas habe ich noch nie gemocht.«
»Du mußt aber!«
»Wirklich?«
»Klar!«
Nach dieser Antwort griff er an. Allerdings war Suko darauf
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