Abseitsfalle. Kadir Bülbüls zweiter Fall
umgekippt und hat beim Sturz etliches mit sich gerissen. Wer
weiß wie viele Spuren schon vernichtet sind. Sever hat sich sofort auf den Weg
gemacht. Wenn die Straßen von Antalya hierher einigermaßen frei sind, müsste er
bald hier sein. Diese ewigen Baustellen! Aber gut, bis zur Sommersaison muss
alles fertig sein, denn…«
»Dalga!«
Kadir, der sehr gut verstand, warum sich Dalga in Allerweltsgeplauder stürzte,
hatte sich einigermaßen gefasst. Jetzt wollte er ein paar Antworten, bevor
Selim Sever erschien und alle aus dem Zimmer jagen würde.
»Haben
Sie einen Arzt gerufen?«
»Wozu?«,
fragte Dalga erstaunt. »Jedes Kind kann sehen, dass dieser Mann tot ist. Toter
geht’s gar nicht, wenn Sie mich fragen«
»Ich
meine wegen Herrn Reinecke.«
»Der
sitzt ganz brav auf seinem Stuhl und tut keinen Mucks. Ich will hier auf meinem
Verbrechensschauplatz kein Gewimmel und Gewusel bis Sever eintrifft. Sie
ausgenommen.« Dalga streckte sich und sah an Kadir vorbei auf die zugezogenen
Vorhänge, als gäbe es dort etwas zu entziffern, was nur er lesen konnte.
Kadir
wusste, dass dies aus dem Munde von Dalga ein unerhörtes Kompliment war, und so
ging er nicht weiter darauf ein, um den komiser nicht in Verlegenheit zu
bringen.
»Was
ist hier nur geschehen?«, fragte Kadir.
»Das
ist geschehen!«
Dalga
schritt um das Bett herum und bedeutete Kadir ihm zu folgen. Neben dem
Nachttisch standen zwei Töpfe mit Farbe, die Deckel lagen achtlos daneben auf
dem Boden. Dalga ging ächzend in die Hocke und las vom Etikett ab:
»Acryl-Lack,
hochglänzend. Profi Acryl Premium Buntlack, glänzend, grün. Und dann haben wir
noch Profi Acryl Premium Lack, glänzend, weiß.« Dalga erhob sich wieder und
betrachtete Hakan Hunsfos. »Die weiße Farbe kenne ich. Die habe ich meiner Frau
im Herbst tonnenweise, so kommt’s mir jedenfalls vor, aus Antalya mitgebracht.
Der Baumarkt in Gümüsdere ist natürlich nicht gut genug für meine Frau, auch
wenn die exakt die gleichen Sachen haben, aber nein, Lack aus Antalya muss es
sein. Sie hat eigenhändig unser Bad renoviert und für die Wände hat sie diesen
Lack genommen.«
Dalga
tippte mit der Fußspitze gegen die Dose.
»Die
Person, wer immer so etwas Irres macht, hat ihn von Kopf bis Fuß angemalt.«
Kadir schüttelte den Kopf. »Kein Fitzelchen Haut ist frei, soweit ich sehe,
selbst der Verband um seinen Knöchel ist lackiert.«
Vorsichtig
trat Kadir näher und betrachte das seitlich auf dem Kissen ruhende Gesicht.
»Die Haare, die Ohren, auf den Augenlidern, sehen Sie, selbst in den
Nasenlöchern ist Farbe!«
»Was
haben wohl diese Kreise zu bedeuten?«
Dalga
deutete auf die münzgroßen, grünen Punkte, die der Täter auf Hakans
weißlackierten Körper gepinselt hatte. Kadir ließ seinen Blick über Hakans
Arme, Rücken und Beine schweifen und schüttelte dann den Kopf.
»Ich
habe keine Ahnung. Es sieht… wie ein albernes Kostüm für Karneval aus, so
makaber es klingt. Ob er wohl auch auf der Vorderseite angemalt ist? Nein,
schauen Sie nicht so, Dalga, ich fasse die Leiche nicht an!«
»Ich
weiß nicht. Warum fragen Sie? Ist es nicht so schon schlimm genug?«
»Sicherlich.
Aber darum geht es nicht. Wenn ja, dann wäre der Täter hier hereinspaziert,
hätte Hakan auf dem Bett liegend vorgefunden, ihn auf irgendeine Art
unschädlich gemacht…« Kadir sah Dalga fragend an, der mit den Achseln zuckte.
»Nein,
ich weiß nicht, wie er zu Tode gekommen ist. Oder wie er womöglich erst, wie
Sie sagen, unschädlich gemacht wurde. Nirgends Blut, wie Sie sehen, und der
Schädel ist ihm auch nicht eingeschlagen worden. Zumindest soweit ich das von
hier aus erkennen kann. Aber wie Sie sehen, hat er die Augen geschlossen, also
hat er entweder geschlafen oder der Täter hat sie ihm zugedrückt.«
»Sie
meinen, er hat sich im Schlaf so zurichten lassen ohne aufzuwachen und sich zu
wehren? Nein, ich denke, wir können davon ausgehen, dass er auf irgendeine Art
und Weise betäubt wurde. Also, der Täter hat ihn irgendwie außer Gefecht
gesetzt, hat seelenruhig seine Farbtöpfe ausgepackt und sich ans Werk gemacht.
Er hat ihn ausgezogen und die Vorderseite lackiert und mit grünen Punkten
versehen. Dann hat er sich gemütlich hingesetzt und sich - ja was? die Nägel
lackiert? - während die Farbe trocknete…«
»Oh«,
fiel Dalga ein. »Da musste er nicht lange warten, das weiß ich genau! ‚Sieh
nur‘, sagte meine Frau damals bei der Badrenovierung, ‚sieh nur, wie schnell
dieser
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