Abseitsfalle. Kadir Bülbüls zweiter Fall
treffen würde. Die Wangen von
Herbert Schmalfuß färbten sich purpurn, als er davon hörte, und seine Schultern
strafften sich während er gleichzeitig bescheiden zu Boden blickte.
Die
Jugend brauchte ihn! Brauchte kriminalistische Erfahrung, die er rund um
Binnen- und Außenalster und längs der Elbe gesammelt hatte, und zwar reichlich,
da brauchte er sein Licht nicht unter den Scheffel zu stellen, auch wenn der
Polizeipräsident dies seinerzeit anders gesehen und ihn in den Vorruhestand
geschickt hatte!
»Nun
könnte er aber wirklich mal auftauchen! Oder wenigstens anrufen. Aus der halben
Stunde sind fast vier Stunden geworden«, maulte Seda und nahm einen Schluck
Tee.
»So
ist es eben mit der Polizeiarbeit, Fräulein Seda. Geduld, Geduld und nochmals
Geduld!«
Schmalfuß,
der, wenn es Kadir verlangt hätte, noch bis zum Morgengrauen und darüber hinaus
auf der Bettkante sitzend verbracht hätte ohne ein Auge zuzutun, legte den Kopf
schief.
»Obacht,
meine Liebe! Schritte im Gang!«
Im
nächsten Moment hopste Seda vom Tisch, rannte zur Tür und riss sie auf.
Schmalfuß betete, dass es wirklich Kadir war, denn wie unangenehm wäre es ihm
gewesen, wenn einer seiner Zimmernachbarn die junge Rezeptionistin um
Mitternacht durch seine Tür spähen sah! Womöglich gar die reizende Frau Siebert
zwei Zimmer weiter, eine echte Kapitänswitwe, nun Besitzerin einer Straußenfarm
in Niedersachsen, mit der er heute Morgen so nett plauschend einige Runden im
Palmengarten flanierte. Der Ex-Kommissar atmete auf. Es war tatsächlich Kadir.
Erschöpft
sank er in einen Sessel und rieb sich die Augen.
»Tässchen
Ostfriesentee, stark wie die Brandung der Nordsee? Sie sehen mir aus, als wären
Sie einer Stärkung nicht abhold?«
»Mit
dem größten Vergnügen. Wäre ich nicht abhold, meine ich. Danke.«
Seda
nahm ihren Platz auf dem Schreibtisch wieder ein und stemmte die Füße gegen
Kadirs Sessellehne.
»Kadir,
spannen Sie uns nicht auf die Folter! Was gibt es Neues?«
»Was
gibt es Neues? Nun, wenn es nach dem komiser geht, dann ist die einzige
Neuigkeit, dass er den Fall bereits gelöst hat. Er hat den Täter noch nicht
genau identifiziert, aber das Verbrechen hat er aufgeklärt. Nur durch
Nachdenken! Alles andere ist eine Frage der Zeit und seiner unorthodoxen
Verhörmethoden, denen ich morgen wieder flankierend zur Seite stehen muss, denn
es sind wieder mal Deutschkenntnisse erforderlich.«
Kadir
tippte sich an die Stirn.
»Gehirnarbeit?
Refik Dalga?« Seda lachte und schüttelte den Kopf. »Das können Sie uns nicht
weismachen!«
»Doch.
Sein Hilfssheriff Kirik hatte just begonnen, eine Akte über Hakan anzulegen,
als dem Kommissar einige Fotos von der Ankunft der Mannschaft in die Hände
fielen. Da hat er etwas im Hintergrund entdeckt, nämlich die gegnerischen Fans
in ihrer grün-weißen Tracht. Und schon schnellte sein dicker Zeigefinger vor
und tappte auf die Täter in spe.«
»Ist
nicht Ihr Ernst!«
»Doch.
Ich habe ihm bestätigt, dass die zu diesen Fans gehörige Mannschaft der
Erzrivale der Bütter ist, solange man in dieser Region denken und fühlen kann,
und da ritzte eine unsichtbare Hand die Lösung auf Dalgas Stirn, und ich las:
Vendetta, Blutrache! So ist es, Freunde. Er hat sie alle eingebuchtet, alle
miteinander.«
»Alle
Fans des Erzrivalen?« Herbert Schmalfuß, der sich, da er in diesem Gefängnis
selbst schon eingesessen hatte, erinnerte, dass es bloß drei Zellen in einem
schmalen Trakt neben Dalgas Dienstzimmer gab, sah Kadir ungläubig an.
»Das
dürfte für die Damen und Herren eine recht beengte Nacht werden!«
»Aber
die Trikots sind doch gar nicht gepunktet!«, warf Seda ein.
Schmalfuß
seufzte ergeben, und Kadir sah Seda mit stummem Vorwurf an.
»Was
ist? Was habe ich denn Falsches gesagt?«
»Es
ist doch völlig gleichgültig, ob gepunktet, gestreift oder gezackt. Das Muster
ist egal, es geht nur um die Farbkombination.«
»Woher
wollen Sie das denn wissen, Mr. Hellseher?«
»Ich
habe nicht gesagt, dass ich es weiß, sondern dass die Farbkombination in
Dalgas Logik der Schlüssel ist: Ein Blau-Rosafarbener ist von einem Grün-Weißen
ermordet worden, und der hat dem Feind seine Kriegsfarben aufgemalt um
kundzutun, aus welchen Reihen der Mörder stammt. Man könnte auch sagen, dass er
sein Revier markiert hat.«
»Das
ist doch barbarisch! So etwas zu denken!«
»Ganz
abwegig ist es nicht, Fräulein Seda. Zynisch mag es klingen, barbarisch mag die
Handlung sein, aber wir
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