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Absender unbekannt

Absender unbekannt

Titel: Absender unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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Grampian Way fuhr und verschwand.
Der Barbesitzer kannte meinen Vater, und so kam mein alter Herr zehn Minuten später ins Bulldog’s, während Phil und ich mit unseren Ginger Ales an der Theke saßen und so taten, als wäre es Whiskey.
Mein Vater war nicht immer gemein. Er hatte auch seine guten Tage. Und aus irgendeinem Grund war jener Tag einer seiner besten. Er war nicht böse, weil wir über die Essenszeit hinaus draußen geblieben waren, obschon ich für das gleiche Vergehen nur eine Woche zuvor Prügel bezogen hatte. Meine Freunde waren ihm normalerweise egal, aber an dem Tag fuhr er Phil durchs Haar, gab uns noch ein paar Ginger Ales und zwei mächtige CornedbeefSandwichs
aus. So saßen wir mit ihm in der Kneipe, bis es draußen völlig Nacht geworden war und sich die Kneipe gefüllt hatte.
Als ich ihm mit zitternder Stimme erzählte, was passiert war, wurden seine Gesichtszüge so zärtlich und freundlich, wie ich es noch nie gesehen hatte, und er blickte mich leicht besorgt an, strich mir mit dem dicken Finger sanft die nassen Locken aus der Stirn und tupfte mit einer Serviette das Corned beef aus meinen Mundwinkeln.
„Da habt ihr beiden ganz schön was erlebt“, meinte er.
Pfeifend lächelte er Phil an, und Phil grinste breit zurück. Das Lächeln meines Vaters, eine absolute Seltenheit, war wie ein Wunder.
„Ich wollte das Fenster nicht einschmeißen“, verteidigte ich mich, „das wollte ich gar nicht, Dad!“
„Schon gut.“
„Bist du nicht sauer?“
Er schüttelte den Kopf.
„Ich…“
„Das hast du toll gemacht, Patrick. Ganz toll!“ flüsterte er. Dann nahm er meinen Kopf an seine breite Brust, küsste mich auf die Wange und glättete das Haar um meinen Wirbel am Hinterkopf. „Ich bin stolz auf dich.“
Das war das einzige Mal, dass ich diese Worte von meinem Vater hörte.
„Clowns“, sagte Bolton.
„Clowns“, bestätigte ich.
„Clowns, ja“, wiederholte Phil.
„Okay“, begann Bolton langsam. „Clowns“, sagte er dann wieder und nickte sich zu.
„Ohne Scheiß“, bekräftigte ich.
„Aham.“ Er nickte erneut und wandte dann seinen mächtigen Kopf, um mir ins Gesicht zu sehen. „Ich nehme
an, dass Sie mich verarschen wollen.“ Mit dem Handrücken wischte er sich den Mund ab.
„Nein.“
„Wir meinen es verdammt ernst“, bestätigte Phil.
„Mein Gott.“ Bolton lehnte sich gegen die Spüle und sah zu Angie herüber. „Sagen Sie mir, dass Sie nicht auch dazugehören, Ms. Gennaro! Sie scheinen mir immerhin ein wenig Vernunft zu besitzen.“
Sie zog den Gürtel ihres Bademantels enger. „Ich weiß nicht, was ich glauben soll.“ Sie zuckte die Schultern in Richtung von Phil und mir. „Die beiden scheinen sich ziemlich sicher zu sein.“
„Hören Sie doch mal zu…“
Mit drei Schritten stand er vor mir. „Nein! Nein! Wir haben wegen Ihnen die Überwachung abgeblasen, Mr. Kenzie. Sie rufen mich herüber und erzählen mir, Sie hätten den Fall gelöst. Sie hätten…“ „Ich habe nicht…“
„… alles herausgefunden und müssten sofort mit mir sprechen. Also bin ich hergekommen, und er ist auch da“, er zeigte auf Phil, „und jetzt sind die beiden auch hier“, er wies mit dem Kopf auf Devin und Oscar, „und wenn es überhaupt eine Hoffnung gab, Evandro hier reinzulocken, können wir das jetzt vergessen, weil das Ganze hier wie eine verfluchte Jahresvollversammlung des FBI aussieht.“ Er holte Atem. „Und damit hätte ich schon leben können, solange, ach, keine Ahnung, irgendwas dabei herausgekommen wäre. Aber nein, Sie kommen mir mit irgendwelchen Clowns!“
„Mr. Bolton“, versuchte es Phil erneut, „wir meinen es ernst.“ „Oh. Toll. Dann schau ich mal, ob ich das richtig verstanden habe: Vor zwanzig Jahren haben zwei Zirkusartisten mit buschigem Haar und Gummihosen in einem Lieferwagen neben Ihnen angehalten, als Sie zu einem Spiel der Kinderliga gingen und…“
„Kamen“, verbesserte ich.
„Was?“
„Wir kamen von einem Spiel“, erklärte Phil.
„Mea culpa“, meinte Bolton und verbeugte sich vor uns. „Mea maxima Scheiss-culpa, tu morani.“
„Ich bin noch nie auf Latein beschimpft worden“, sagte Devin zu Oscar. „Du?“
„Auf Mandarin“, erwiderte Oscar. „Auf Latein noch nie.“
„Schön“, begann Bolton wieder. „Sie wurden von zwei Zirkusartisten angesprochen, als Sie von einem Spiel kamen und weil – verstehe ich das richtig, Mr. Kenzie? –, weil Alec Hardiman bei dem Gespräch im Gefängnis >Send in the Clowns< gesungen hat,

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