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Absender unbekannt

Absender unbekannt

Titel: Absender unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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blickte auf das Glas auf dem Sitz, und plötzlich explodierte die Wut in seinem Gesicht. Er griff in den Hosenbund und kam ums Auto herum.
Ich nahm seine Stirn ins Visier.
Da hielt er inne, die Hand noch immer am Hosenbund, und fing ganz langsam an zu lächeln. Er ging zur Beifahrertür zurück, öffnete sie, legte dann die Arme auf die Motorhaube und sah mich an. „Ich sag dir, was passiert. Mach dir ‘ne schöne Zeit mit deiner Freundin, fick sie jeden Tag zweimal, wenn du kannst, und sei besonders lieb zu der Kleinen. Bald – vielleicht noch heute, vielleicht nächste Woche – komme ich vorbei. Zuerst bringe ich dich um. Dann warte ich ein bisschen. Vielleicht hole ich mir was zu essen, geh auf Piste, gönn mir ‘n paar Bier. Egal. Danach gehe ich bei deiner Frau vorbei und bringe sie und das Mädchen um. Und dann gehe ich nach Hause und lache mir den Arsch ab, Kenzie.“
Er stieg ins Auto und fuhr davon. Ich stand auf meiner Veranda, und das Blut pochte heiß in meinen Schläfen.

20
    Als ich zurück nach oben ging, guckte ich zuerst nach Mae. Sie lag zusammengerollt auf der Seite, hielt ein Kopfkissen im Arm, die Locken fielen ihr in die Augen, die Wangen waren vom Schlaf leicht gerötet.
Ich sah auf die Uhr. Halb neun. Was ihre Mutter bei der vielen Arbeit an Schlaf einbüsste, Mae holte es auf jeden Fall nach. Ich machte die Tür zu, ging in die Küche und schlug mich mit drei Anrufen von empörten Nachbarn herum, die wissen wollten, warum in aller Welt ich morgens um acht mit einer Feuerwaffe herumschiessen würde. Ich bekam nicht heraus, worüber sie sich mehr aufregten, über den Schuss oder die frühe Uhrzeit, fragte aber auch nicht weiter nach. Ich entschuldigte mich, worauf zwei einfach auflegten, während der dritte mir riet, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Nach dem dritten Anruf meldete ich mich bei Bubba.
„Was ist los?“
„Hast du Zeit, ein paar Tage lang Leute zu beschatten?“ „Wen?“
„Kevin Hurlihy und Grace.“
„Sicher. Die beiden sehen aber nicht gerade so aus, als würden sie in den gleichen Kreisen verkehren.“
„Tun sie auch nicht. Aber er will vielleicht irgendwas mit ihr anstellen, um an mich ranzukommen, deshalb muss ich wissen, wo sich die beiden aufhalten. Ist ein Job für zwei Leute.“
Er gähnte. „Ich nehme Nelson.“
Nelson Ferrare war ein Typ aus unserem Stadtteil, der Bubba bei seinen Waffengeschäften half, wenn er einen zusätzlichen Schützen oder Fahrer brauchte. Nelson war klein, höchstens ein Meter sechzig, und ich hatte ihn noch nie laut reden oder mehr als fünf Wörter an einem Tag sprechen hören. Nelson war ein genauso verrückter Spinner wie Bubba, hatte aber zusätzlich einen Napoleon-Komplex. Wie Bubba konnte er seine Psychose so lange unter Kontrolle halten, wie er mit irgend etwas beschäftigt war. „Okay. Und, Bubba! Wenn mir in der nächsten Woche irgendwas passieren sollte, sagen wir, ich habe einen Unfall, tust du mir dann einen Gefallen?“
„Was denn?“
„Versteck Mae und Grace an einem sicheren Ort…“
„Klar.“
„… und mach Hurlihy kalt!“
„Kein Problem. Ist das alles?“
„Das ist alles.“
„Okee-doke. Bis bald.“
„Hoffen wir’s.“
Ich legte auf und bemerkte, dass sich das Zittern in meinen Handgelenken gelegt hatte, das mich seit dem Schuss auf Kevins Autofenster begleitet hatte.
Als nächstes rief ich Devin an.
„Agent Bolton will mit dir reden!“
„Kann ich mir denken.“
„Es gefällt ihm nicht, dass du mit zwei von vier Toten in Verbindung gebracht wirst.“
„Vier?“
„Wir glauben, dass er gestern Abend wieder zugeschlagen hat. Kann jetzt aber nicht darüber reden. Kommst du vorbei, oder muss Bolton bei dir vorbeikommen?“
„Ich komme vorbei.“
„Wann?“
„Gleich. Übrigens hat mir Kevin Hurlihy gerade einen Besuch abgestattet und mir geraten, mich aus der Sache rauszuhalten.“ „Wir lassen ihn seit Tagen überwachen. Er ist nicht der Mörder.“ „Das hab ich auch nicht gedacht. Für das, was dieser Typ abzieht, fehlt ihm die Phantasie. Aber irgendwas hat er damit zu tun.“ „Ist schon komisch, das gebe ich zu. Also, beweg deinen Arsch rüber zum FBI-Hauptquartier. Bolton ist soweit, dass er alle einbuchtet, dich, Gerry Glynn, Jack Rouse, Fat Freddy und jeden, der irgendwann in die Nähe der Opfer gekommen ist.“
„Vielen Dank für den Tipp.“
Ich legte auf, und in dem Moment wurde meine Wohnung von Countrymusik in ohrenbetäubender Lautstärke erschüttert, die durch das

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