Absender unbekannt
unverzeihliches Ungeheuer geworden war, so gab es doch immer noch – irgendwo tief in ihm – den anderen Phil, der sich nun neben Mae erhob. Angie fragte: „Wie geht’s dir, kleine Süße?“
„Gut.“ Mae griff nach Angies Haar.
„Sie mag dein Haar“, erklärte ich.
„Was, dieses Durcheinander?“ Angie kniete sich hin, während Mae ihr mit der Hand durchs Haar fuhr.
„Du hast so viele Locken“, bemerkte Mae.
„Das sagt mein Frisör auch.“
„Wie geht’s dir, Patrick?“ Phil streckte mir die Hand hin.
Ich dachte drüber nach. An einem strahlenden Herbstmorgen mit so frischer Luft und den von den orangen Blättern zurückgeworfenen Sonnenstrahlen kam es mir albern vor, nicht mit der ganzen Welt in Frieden zu leben.
Mein Zögern sprach wohl für sich, dann ergriff ich die
mir dargebotene Hand und schüttelte sie. „Nicht schlecht, Phil. Und dir?“
„Gut“, antwortete er. „Muss ja jeden Tag weitergehen, aber du weißt ja, wie das ist, bei jedem steht das Leben mal ‘ne Weile still.“ „Stimmt.“ Ich sah einem der Gründe für den Stillstand in meinem eigenen Leben ins Gesicht.
„Tja, also…“ Er sah über die Schulter zu seiner Exfrau und dem Kind hinüber, die sich gegenseitig in den Haaren herumwuschelten. „Sie ist klasse.“
„Welche von beiden?“ fragte ich.
Er lächelte wehmütig. „Beide, würde ich sagen. Aber im Moment meinte ich die Vierjährige.“
Ich nickte. „Ja, sie ist toll.“
Angie kam zu uns, hielt Mae an der Hand. „Wann musst du zur Arbeit?“
„Heute mittag“, erwiderte er. Er sah mich an. „Der Typ, bei dem ich momentan arbeite, ist ein Künstler in der Back Bay. Ich musste sein gesamtes Zweifamilienhaus Auseinandernehmen, das ganze Parkett aus dem neunzehnten Jahrhundert rausreißen, damit wir es jetzt durch schwarzen -schwarzen! – Marmor ersetzen. Kannst du das glauben?“ Er seufzte und fuhr sich durch das Haar.
„Ich hab mir gedacht“, begann Angie, „ob du vielleicht Lust hättest, ein bisschen mit Mae und mir zu schaukeln?“
„Ach, ich weiß nicht“, sagte er und schaute Mae an, „mein Arm tut etwas weh.“
„Stell dich nicht so an!“ meckerte Mae.
„Das kann ich nicht auf mir sitzenlassen, oder?“ Phil nahm die Kleine mit einem Arm hoch und setzte sie sich auf die Hüfte. Dann überquerten die drei die Strasse und gingen zum Spielplatz. Bevor sie die Treppe hochstiegen und auf die Schaukeln zusteuerten, winkten sie mir noch einmal zu.
21
„ Sie werden Alec Hardiman treffen „, sagte Bolton ohne aufzublicken, während er durch den Konferenzraum schritt. „Tatsächlich?“
„Sie haben heute mittag um ein Uhr einen Termin mit ihm.“ Ich blickte Devin und Oscar an. „Ach ja?“
„Unsere Abteilung wird alles auf Band aufnehmen.“
Ich nahm gegenüber von Devin Platz, zwischen uns befand sich ein riesengroßer Kirschbaumtisch. Oscar saß links von Devin, der Rest der Plätze war von einem halben Dutzend FBI-Agenten in Anzug und Krawatte belegt. Die meisten von ihnen telefonierten. Devin und Oscar hatten kein Telefon. Vor Bolton am anderen Ende standen zwei auf dem Tisch, ich schätze, ein ganz normales und ein Spezial-Batman-Telefon.
Er erhob sich und kam auf mich zu. „Über was haben Sie mit Kevin Hurlihy gesprochen?“
„Über Politik“, erwiderte ich, „über den momentanen Stand des Yen, solche Sachen.“
Bolton legte die Hand auf meine Stuhllehne und beugte sich so weit vor, dass ich die Hustenpastillen in seinem Mund riechen konnte. „Sagen Sie mir, worüber Sie gesprochen haben, Mr. Kenzie!“ „Was glauben Sie denn, worüber wir gesprochen haben, Spezialagent Bolton? Er hat mir gesagt, ich soll meine Finger vom WarrenFall lassen.“
„Und deshalb haben Sie eine Salve auf sein Auto abgeschossen. „ „Das schien mir zu dem Zeitpunkt eine angemessene Reaktion zu sein.“
„Warum taucht in diesem Fall immer wieder Ihr Name auf?“ „Weiß ich nicht.“
„Warum will Alec Hardiman nur mit Ihnen reden?“
„Noch einmal: Ich habe keine Ahnung.“
Er ließ die Stuhllehne los, blieb hinter Devin und Oscar stehen und schob die Hände in die Hosentaschen. Er sah aus, als hätte er seit einer Woche nicht geschlafen.
„Ich brauche Antworten, Mr. Kenzie.“
„Ich hab aber keine. Ich habe Devin meine Unterlagen über den Warren-Fall rübergefaxt. Ich habe euch Fotos von dem Typ mit dem Spitzbart geschickt. Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich noch von der Begegnung mit Kara Rider weiß. Ansonsten tappe ich ebenso im Dunkeln wie
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