Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Absender unbekannt

Absender unbekannt

Titel: Absender unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
Vom Netzwerk:
das ist ja dein Stil.“
„Und was ist deiner?“
„Mein Stil?“
Ich nickte.
Alec sah Lief an. „Gibt es diese Woche wieder Huhn aus dem Ofen?“
„Am Freitag“, antwortete Lief.
Hardiman nickte. „Das ist schön. Das mag ich gerne. Patrick, es hat mich gefreut, dich kennenzulernen. Komm mal wieder vorbei!“ Lief sah mich an und zuckte mit den Schultern. „Interview ist vorbei, Patrick.“
Dolquist erhob sich. Nach einer Minute tat ich dasselbe. „Dr. Dolquist“, ließ sich Hardiman vernehmen, „grüssen Sie Königin Judith von mir.“
Dolquist wandte sich der Zellentür zu.
Ich folgte ihm, starrte die Gitterstäbe an. Es kam mir vor, als hielten sie mich zurück, schlössen mich ein, verweigerten mir für immer den Blick auf die Welt draußen, sperrten mich zusammen mit Hardiman hier ein.
Lief kam zu uns und holte einen Schlüssel hervor, dabei wandten wir drei Hardiman den Rücken zu.
Er flüsterte: „Dein Vater war eine Hornisse.“
Ich drehte mich um, doch er blickte mich ausdruckslos an. „Was war das?“
Alec nickte und schloss die Augen, er trommelte mit den Fingern auf dem Tisch. Als er sprach, schien seine Stimme aus den Ecken des Raumes und von der Decke, selbst von den Gitterstäben zu tönen, nur nicht aus seinem Mund:
„Ich hab gesagt: Reiß ihnen die Eingeweide heraus, Patrick! Bring sie alle um!“
Er spitzte die Lippen, und wir warteten, doch es war sinnlos. Eine Minute verstrich mit vollkommenem Schweigen, nicht einmal ein Zittern schlich über seine straffe, bleiche Haut.
Als sich die Türen öffneten, und wir an den zwei Wachmännern neben der Zellentür vorbei in den Gang von Block C traten, sang Alec Hardiman: „Reiß ihnen die Eingeweide heraus, Patrick! Bring sie alle um!“ Seine Stimme war gleichzeitig zart und voll, es klang wie eine Arie.
„Reiß ihnen die Eingeweide heraus, Patrick!“ „Bring sie alle um!“

23
    Lief führte uns durch ein Labyrinth von Versorgungsgängen, deren dicke Wände die üblichen Geräusche des Gefängnisses dämpften. Die Gänge rochen nach Desinfektions- und Lösungsmittel, der Boden glänzte gelblich wie in allen staatlichen Einrichtungen. „Er hat einen ganzen Fanclub, wissen Sie.“
„Wer?“
„Hardiman“, erwiderte Lief. „Kriminologie- und Jurastudenten, einsame Frauen mittleren Alters, einige Sozialarbeiter, ein paar Leute von der Kirche. Brieffreunde, die er von seiner Unschuld überzeugt hat.“
„Sie wollen mich verarschen!“
Lief grinste und schüttelte den Kopf. „O nein! Alec spielt immer das gleiche Spiel mit ihnen – er lädt sie zu einem Besuch ein, seine Herrlichkeit in Fleisch und Blut zu besichtigen oder so ähnlich. Und einige von diesen Leuten, die sind echt arm. Die geben ihre gesamten Ersparnisse aus, um hierherzukommen. Und schätzen Sie mal, was der gute Alec dann tut?“
„Lacht sie aus?“
„Er empfängt sie nicht“, antwortete Dolquist. „Nie.“
„Ja“, bestätigte Lief. Er tippte einige Zahlen in eine Tastatur neben der Tür vor uns, die sich daraufhin mit einem
leisen Klick öffnete. „Dann sitzt er in seiner Zelle, guckt aus dem Fenster und sieht zu, wie sie verwirrt, gedemütigt und einsam den langen Weg zurück zu ihren Autos gehen, und holt sich dabei einen runter.“
„So ist Alec“, sagte Dolquist, während wir am Haupttor ins Licht traten.
„Was war das für ein Spruch über Ihren Vater?“ wollte Lief wissen. Wir ließen das Gefängnis hinter uns und näherten uns Boltons Überwachungswagen, der auf dem Kiesweg stand.
Ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Soweit ich weiß, kannte er meinen Vater nicht.“
Dolquist bemerkte: „Hörte sich aber an, als würde er wollen, dass Sie es glauben.“
„Und der Blödsinn mit dem Wirbel“, fügte Lief hinzu. „Entweder kannte er Sie, Mr. Kenzie, oder er hat einfach verdammt gut geraten.“
Unter unseren Füssen knirschte der Kies, als wir zum Überwachungswagen hinübergingen. Ich sagte: „Ich habe diesen Typ noch nie gesehen.“
„Tja“, meinte Lief, „das kann Alec gut, den Leuten Scheiße in den Kopf setzen. Als ich gehört habe, dass Sie kommen, hab ich das hier ausgegraben.“ Er reichte mir ein Blatt Papier. „Das haben wir abgefangen, als Alec es über einen seiner Kuriere an einen neunzehnjährigen Jungen schicken wollte, den er vergewaltigt hatte, nachdem er erfahren hatte, dass er HIV-positiv war.“
Ich faltete den Zettel auseinander:
Der Tod in meinem Blut Ich gab ihn dir. Jenseits des Grabes Wart ich auf dich.
Schnell

Weitere Kostenlose Bücher