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sind jetzt bald mit >A< durch.“
„Bei den ersten beiden ist überhaupt nichts“, informierte uns Erdham. „Kein einziger Kontakt mit Hardiman.“
Jetzt sah auch Lief zu den Bildschirmen hoch. „Gucken Sie mal beim letzten!“
Ich stellte mich neben ihn. „Wer ist der Typ?“
„Kennen Sie ihn?“
„Ich weiß nicht“, erwiderte ich. „Kommt mir bekannt vor.“ „Aber an die Haare würden Sie sich doch erinnern.“
„Klar“, bestätigte ich.
„Evandro Arujo“, sagte Erdham. „Kein Treffer beim Zellenblock, kein Treffer beim Arbeitsplatz, keiner bei Freizeitbeschäftigung, keiner bei…“
„Vieles sagt Ihnen der Computer doch gar nicht“, mischte sich Lief ein.
„… bei den Verurteilungen. Ich guck jetzt mal nach Berichten über besondere Vorkommnisse.“
Ich sah mir das Gesicht genauer an. Es war glatt und feminin, das Gesicht einer schönen Frau. Das weiße Haar bildete einen starken Kontrast zu den Mandelaugen und der olivbraunen Haut. Die vollen Lippen wirkten ebenfalls weiblich, ein Schmollmund, die Wimpern waren lang und dunkel.
„Erster Zwischenfall, größere Sache: Insasse Arujo behauptet, im Duschraum vergewaltigt worden zu sein, am sechsten August ‘87. Häftling weigert sich allerdings, die angeblichen Vergewaltiger zu identifizieren, und verlangt Einzelhaft. Antrag abgelehnt.“ Ich sah Lief an.
„Damals war ich noch nicht hier“, sagte er.
„Warum war er hier?“
„Autodiebstahl. Erste Verurteilung.“
„Und dafür kam er hier rein?“
Bolton stand nun neben uns, so dass ich wieder die Hustenpastillen in seinem Mund riechen konnte. „Darauf steht doch nicht Höchststrafe.“
„Erzählen Sie das dem Richter!“ gab Lief zurück. „Und dem Bullen, dem Evandro das Auto zu Schrott gefahren hat, der war nämlich ein Saufkumpel von dem Richter.“
„Zweiter großer Zwischenfall – Verdacht auf schwere Körperverletzung. März ‘88. Keine weiteren Informationen.“
„Das heißt, er hat selbst einen vergewaltigt“, erklärte Lief. „Dritter großer Zwischenfall – Festnahme und Prozess wegen Totschlags. Verurteilt im Juni ‘89.“
„Willkommen in Evandros Welt!“ sagte Lief.
„Druckt das aus“, befahl Bolton.
Der Laserdrucker summte, als erstes kam das Foto heraus, zu dem wir alle aufsahen.
Bolton nahm es in die Hand und fragte Lief: „Gab es Kontakt zwischen diesem Häftling und Hardiman?“
Lief nickte. „Darüber finden Sie aber nichts in den Unterlagen.“ „Warum nicht?“
„Weil es Sachen gibt, die man beweisen kann, und Sachen, die man einfach nur weiß. Evandro war Hardimans Schützling. Kam hier als halbwegs anständiger Junge rein, um neun Monate für einen Autodiebstahl abzusitzen, und als er neuneinhalb Jahre später wieder ging, war er absolut durchgeknallt.“
„Wieso hat er so weißes Haar?“ erkundigte ich mich.
„Der Schock“, antwortete Lief. „Als er nach der Vergewaltigung gefunden wurde, lag er im Duschraum auf dem Boden und blutete aus jeder Körperöffnung. Sein Haar war schlohweiß. Nach dem Aufenthalt in der Krankenabteilung musste er wieder zu den anderen, weil mein Vorgänger keine Latinos mochte, und als ich hier anfing, hatte er schon alles durchgemacht, was man nur durchmachen konnte, und war bei Hardiman gelandet.“
„Wann wurde er entlassen?“ wollte Bolton wissen.
„Vor sechs Monaten.“
„Zeigt uns alle Fotos von ihm, und druckt sie aus!“ ordnete Bolton an.
Erdhams Finger flogen über die Tastatur, und plötzlich zeigten die Bildschirme fünf verschiedene Aufnahmen von Evandro Arujo. Das erste war ein Kopfbild von der Polizei in Brockton. Sein Gesicht war geschwollen, der rechte Kieferknochen sah gebrochen aus, die jungen Augen blickten verängstigt.
„Hat den Wagen zu Schrott gefahren“, erklärte Lief. „Ist mit dem Kopf gegen das Lenkrad geschlagen.“
Das nächste Bild war am Tag seiner Ankunft in Walpole aufgenommen worden. Die Augen waren noch immer groß und verängstigt, die Schnitte und Schwellungen abgeklungen. Er hatte dichtes, schwarzes Haar und feminine Gesichtszüge, doch waren sie noch weicher, zeigten noch ein wenig Babyspeck.
Das nächste Foto kannte ich bereits. Das Haar war weiß, die großen Augen hatten sich irgendwie verändert, als hätte jemand eine dünne Schicht Empfindsamkeit abgekratzt, so wie man von einer Eierschale die dünne Eierhaut abziehen kann.
„Nach dem Mord an Norman Sussex“, informierte uns Lief. Auf dem vierten Bild hatte er sehr viel Gewicht verloren, so dass seine weiblichen
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