Absender unbekannt
der Dienststelle Boston zugeteilt, meine Personalnummer lautet sechs-null-vier-eins-neun-zwei. Rufen Sie dort an und überzeugen Sie sich von meiner Identität, lassen Sie Mr. Kenzie solange warten. Dies ist eine Bundesangelegenheit, wir erwarten, dass Sie mit uns kooperieren.“
Er warf mir das Telefon zu und sagte zu Devin: „Weiter, ich höre!“ „Hi“, meldete ich mich wieder.
„Hi“, gab sie zurück. „Ich fühle mich, als hätte ich eine Ohrfeige bekommen. Immerhin von einem Mann mit so einem vornehmen Namen wie Barton. Warten Sie bitte kurz!“
Während ich wartete, schaute ich aus dem Fenster. Der Van hatte wieder die Spur gewechselt, und jetzt war zu erkennen, wodurch der Stau zustande gekommen war. Ein Volvo war auf einen Datsun aufgefahren, und einer der Fahrer wurde auf dem Seitenstreifen zum Krankenwagen gebracht. Sein Gesicht war blutüberströmt und gespickt mit Glassplittern, die Hände hielt er seltsam von sich gestreckt, als sei er nicht sicher, ob sie noch zu seinem Körper gehörten.
Jetzt blockierte der Unfall den Verkehr nicht mehr, wenn es überhaupt der Unfall war. Vielleicht hatten ja alle nur gebremst und waren schließlich stehengeblieben, um einen Blick zu erhaschen. Drei Autos vor uns nahm ein Beifahrer auf dem Rücksitz die Szene mit der Videokamera auf. Konnte er hinterher Frau und Kindern vorführen. Guck mal, mein Junge, schwere Gesichtsverletzungen. „Mr. Kenzie?“
„Ja, ich warte.“
„Jetzt habe ich gerade die zweite Ohrfeige bekommen. Diesmal von Agent Boltons Chef, weil ich die wertvolle Zeit des FBI mit so etwas Trivialem wie dem Schutz der Bürgerrechte meiner Klienten verschwende. Also, über welchen meiner Chorknaben benötigen Sie die Info?“
„Über Evandro Arujo.“
„Warum?“
„Wir brauchen sie halt, mehr kann ich nicht sagen.“
„Okay. Schiessen Sie los!“
„Wann haben Sie ihn zum letzten Mal gesehen?“
„Montag vor zwei Wochen. Evandro ist pünktlich. Mensch, verglichen mit den anderen, ist er ein Musterknabe.“
„Wieso?“
„Kommt zu jedem Treffen, nie zu spät, hatte innerhalb von zwei Wochen nach seiner Entlassung einen Job…“
„Wo?“
„Hartow Kennel in Swampscott.“
„Haben Sie Adresse und Telefonnummer von Hartow Kennel?“ Sie gab mir beides, ich schrieb es auf, riss das Blatt vom Block und reichte es Bolton, der gerade auflegte.
Sheila Lawn sagte: „Sein Chef, Hank Rivers, ist ganz begeistert von ihm. Er meinte, wenn alle Knastbrüder so wären wie Evandro, würde er niemand anders mehr einstellen.“
„Wo wohnt Evandro, Officer Lawn?“
„Nennen Sie mich ruhig Ms. Lawn. Seine Adresse, Moment mal… hier ist sie: Guster Street 205.“
„Wo ist das?“
„In Brighton.“
Direkt um die Ecke von Bryce. Ich schrieb die Adresse auf und gab sie ebenfalls Bolton.
„Gibt’s Ärger mit ihm?“ wollte sie wissen.
„Ja“, erwiderte ich. „Wenn Sie ihn sehen, Ms. Lawn, sprechen Sie ihn nicht an! Rufen Sie die Nummer an, die Ihnen Agent Bolton gerade gegeben hat.“
„Und wenn er hierherkommt? Sein nächster Termin ist innerhalb der nächsten zwei Wochen.“
„Er wird nicht kommen. Und wenn doch, verschließen Sie die Tür und rufen um Hilfe!“
„Sie glauben, dass er dieses Mädchen vor ein paar Wochen gekreuzigt hat, oder?“
Wir fuhren jetzt zügig, doch im Wageninnern hatte ich das Gefühl, der Verkehr halte plötzlich inne.
„Wie kommen Sie darauf?“
„Er hat da mal was gesagt.“
„Was war das?“
„Sie müssen verstehen, wie ich schon sagte, er ist ein total pflegeleichter Haftentlassener, er war immer nett und
freundlich, Mensch, er hat mir sogar Blumen ins Krankenhaus geschickt, als ich mir das Bein gebrochen hatte. Ich kenne mich aus mit Häftlingen, Mr. Kenzie, und Evandro schien wirklich ein netter Junge zu sein, der einen Ausrutscher hatte und nun wieder normal sein wollte.“
„Was hat er über Kreuzigungen gesagt?“
Bolton und Fields sahen zu mir herüber, und ich bemerkte, dass selbst der ansonsten desinteressierte Erdham mein Spiegelbild auf seinem LED-Bildschirm beobachtete.
„Irgendwann waren wir hier fast fertig, als er mir plötzlich auf die Brust starrte. Zuerst dachte ich, Sie wissen schon, er glotzt meine Brüste an, aber dann merkte ich plötzlich, dass er das Kreuz anstarrte, das ich immer trage. Normalerweise habe ich es unter der Kleidung, aber an dem Tag war es rausgefallen, ich hatte es noch nicht mal gemerkt, erst als Evandro draufguckte. Und er guckte es nicht einfach so an, sondern irgendwie
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