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Absender unbekannt

Absender unbekannt

Titel: Absender unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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Aufzugs öffneten sich, er stieg aus und saugte dabei laut vernehmlich am Inhalator.
Hinter mir fragte Field Erdham: >„Ausführlichst<, schreibt man das mit einem oder zwei Arschlöchern?“
„Mit einem“, erwiderte Erdham, „aber einem großen.“
Bolton lockerte seine Krawatte, bis der Knoten auf halber Höhe der Brust lag, und ließ sich schwer in den Stuhl hinter seinem Schreibtisch fallen.
„Machen Sie die Tür zu!“ wies er mich an.
Ich gehorchte. Sein Gesicht war tiefrosa, er atmete stoßweise. „Alles in Ordnung?“
„Ja, sicher. Erzählen Sie mir von Ihrem Vater!“
Ich nahm Platz. „Gibt’s nichts zu erzählen. Ich schätze, Hardiman hat’s einfach versucht, wollte mich mit diesem Scheiß aus der Fassung bringen.“
„Glaube ich nicht“, widersprach Bolton und nahm noch einen Zug aus dem Inhalator. „Sie und die anderen hatten ihm den Rücken zugekehrt, als er das sagte, aber ich konnte ihm auf dem Monitor ins Gesicht sehen. Er sah aus, als ginge ihm einer ab, als er sagte, Ihr Vater war eine Hornisse, als hätte er sich das bis zum Höhepunkt aufbewahrt.“ Bolton fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Sie hatten als Kind einen Wirbel, oder?“
„Das hatten viele Kinder.“
„Aber es gibt nicht viele Kinder, mit denen sich später ein Serienmörder unterhalten will.“
Ich hob eine Hand und nickte. „Ich hatte einen Wirbel, Agent Bolton. War normalerweise nur zu sehen, wenn ich stark geschwitzt hatte.“ „Warum nur dann?“
„Wahrscheinlich weil ich eitel war. Ich hab mir Scheiße ins Haar geschmiert, damit es unten blieb.“
Er nickte. „Er kannte sie.“
„Ich weiß nicht, was ich Ihnen erzählen soll, Agent Bolton. Ich habe den Kerl noch nie gesehen.“
Er nickte wieder. „Erzählen Sie mir von Ihrem Vater! Sie wissen ja, dass ich schon welche auf ihn angesetzt habe.“
„Das habe ich angenommen.“
„Wie war er?“
„Er war ein Schwein, der anderen gerne Schmerzen zufügte, Bolton. Und ich spreche nicht gerne über ihn.“
„Und mir tut es leid“, gab er zurück, „aber Ihre persönlichen Probleme sind mir im Moment völlig egal. Ich versuche, Arujo zu finden, damit das Blutvergießen aufhört…“
„Und dafür kassieren Sie eine nette kleine Beförderung.“ Er hob eine Augenbraue und nickte eifrig. „Ganz bestimmt. Darauf wette ich. Ich kenne keins von den Opfern, Mr. Kenzie, aber mir gefällt es im allgemeinen nicht, wenn Menschen sterben müssen. Ganz allgemein. Aber um von diesem besonderen Fall zu sprechen: Ich fühle nichts für diese Menschen. Dafür werde ich auch nicht bezahlt. Ich werde bezahlt, dass ich Typen wie Arujo zur Strecke bringe, und das mache ich auch. Und wenn ich meine Karriere dabei ein bisschen beschleunigen kann, ist das nicht wunderbar?“ Seine kleinen Augen weiteten sich. „Erzählen Sie mir von Ihrem Vater!“
„Er war die meiste Zeit seines Lebens Leutnant bei der Bostoner Feuerwehr. Später ist er in die Lokalpolitik gegangen und wurde Stadtrat. Kurz danach bekam er Lungenkrebs und starb.“ „Sie haben sich nicht gut mit ihm verstanden?“
„Nein. Er war ein Tyrann. Alle, die ihn kannten, hatten Angst vor ihm, die meisten hassten ihn. Er hatte keine Freunde.“
„Aber Sie scheinen ganz das Gegenteil von ihm zu sein.“ „Wieso?“
„Na ja, weil die Leute Sie mögen. Amronklin und Lee haben Sie sehr gern, Lief empfand auch sofort Symphatie für Sie, und was ich sonst noch so gehört habe, seitdem ich den Fall übernommen habe, pflegen Sie einige Freundschaften zu so unterschiedlichen Leuten wie einem liberalen Journalisten und einem halbirren Waffenschieber. Ihr Vater hatte keine Freunde, aber Sie haben sehr viele. Ihr Vater war gewalttätig, doch Sie scheinen keinen unkontrollierbaren Hang zur Gewalt zu verspüren.“
Das erzähl mal Marion Socia, dachte ich.
„Was ich hier versuche herauszufinden, Mr. Kenzie, ist, wenn Alec Hardiman Jason Warren für die Sünden seiner Mutter zahlen ließ, ob er Sie dann auserkoren hat, für die Sünden Ihres Vaters zu zahlen.“
„Das wäre ja in Ordnung, Agent Bolton. Aber Diandra hatte direkten Einfluss auf Hardimans Inhaftierung. Zwischen meinem Vater und Hardiman gibt es aber bisher noch keine Verbindung.“
„Wir haben noch keine entdeckt.“ Bolton lehnte sich zurück. „Betrachten Sie die Sache mal aus meiner Perspektive. Das Ganze begann, als Kara Rider, eine Schauspielerin, sich unter dem Pseudonym Moira Kenzie an Diandra Warren wandte. Das war kein Zufall. Es war eine Botschaft.

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