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Absender unbekannt

Absender unbekannt

Titel: Absender unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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besessen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Als ich ihn fragte, was er da ansehe, antwortete er: >Was halten Sie von Kreuzigungen, Sheila Lawn?< Nicht Officer Lawn oder Ms. Lawn, sondern Sheila Lawn.“
„Was haben Sie geantwortet?“
„Ich habe gesagt: >In welcher Hinsicht?< oder so ähnlich. „ „Und Evandro?“
„Er meinte: >In sexueller Hinsicht natürliche Ich glaube, das Wort >natürlich< hat sich richtig bei mir eingeprägt, weil er das offenbar vollkommen normal fand, in diesem Zusammenhang von Kreuzigung zu sprechen.“
„Haben Sie über dieses Gespräch Bericht erstattet?“
„Bei wem denn? Soll das ein Witz sein? Ich habe jeden Tag zehn Männer, Mr. Kenzie, die viel schlimmere Sachen
zu mir sagen und gegen keinerlei Gesetz verstoßen, obwohl ich vieles als sexuelle Belästigung auffassen könnte, wenn ich nicht wüsste, dass sich meine männlichen Kollegen die gleichen Sachen anhören müssen.“
„Ms. Lawn, nach meiner ersten Frage haben Sie sofort wissen wollen, ob Evandro jemanden gekreuzigt hätte, obwohl ich nichts davon gesagt habe, dass er wegen Mordes gesucht wird…“ „Aber Sie hängen mit dem FBI herum und sagen mir, ich soll mich verstecken, wenn ich ihn sehe.“
„Aber wenn Evandro so ein Musterknabe ist, warum kommen Sie dann auf diese Frage? Wenn er so nett ist, wie kommen Sie dann auf die Idee…
„… dass er das Mädchen gekreuzigt hat?“
„Ja.“
„Weil… Mr. Kenzie, ich verdränge jeden Tag irgendwelche Sachen aus meinem Kopf. Um, na ja, um überhaupt weiterarbeiten zu können. Und diese Unterhaltung über Kreuzigung mit Evandro hatte ich vollkommen vergessen, bis ich in der Zeitung von dem ermordeten Mädchen las. Und dann fiel es mir sofort wieder ein, und ich wusste wieder, wie ich mich gefühlt hatte, als er mich ansah, nur einen Augenblick, als er sagte: >In sexueller Hinsicht natürlich^ dass ich mich völlig schmutzig, nackt und verletzlich fühlte. Aber um ehrlich zu sein, hatte ich furchtbare Angst – nur diesen kurzen Augenblick lang –, weil ich das Gefühl hatte, er habe im Kopf…“
Eine lange Pause entstand, weil sie nach Worten suchte. „… Sie zu kreuzigen?“ vollendete ich ihren Satz.
Sie atmete laut ein. „Genau das.“
„Ausser den gefärbten Haaren und dem Bart“, bemerkte Erdham, als wir Evandros Foto stark vergrößert auf dem
Bildschirm betrachteten, „hat er auf jeden Fall den Haaransatz verändert.“
Und wie?“
Er hielt das letzte Foto hoch, das im Gefängnis von Evandro aufgenommen worden war. „Sehen Sie die Narbe von dem Messer hier oben auf der Stirn?“
„Scheiße“, kommentierte Bolton.
„Hier nicht mehr“, erklärte Erdham und zeigte auf den Monitor. Ich sah mir das Foto an, das Angie von Evandro gemacht hatte, als er aus dem Sunset Grill kam. Sein Haaransatz war mindestens zwölf Millimeter tiefer als vorher.
„Ich würde nicht unbedingt behaupten, dass das zu seiner Tarnung gehört“, meinte Erdham. „Das ist zu unauffällig. Die meisten würden die Veränderung doch gar nicht merken.“
„Er ist eitel“, fügte ich hinzu.
„Genau.“
„Was noch?“ drängte Bolton.
„Sehen Sie mal selbst!“
Ich betrachtete die beiden Aufnahmen. Es war nicht einfach, auf etwas anderes zu achten als die veränderte Haarfarbe, doch nach und nach…
„Die Augen“, entgegnete Bolton.
Erdham nickte. „Von Natur aus braun, aber auf dem Foto von Mr. Kenzies Kollegin grün.“
Field legte den Hörer auf. „Agent Bolton?“
„Ja?“ Bolton wandte sich ab.
„Die Wangenknochen“, versuchte ich es, und auf dem Bildschirm legte sich mein Spiegelbild über Evandros Foto.
„Sie sind gut, Mann!“ lobte Erdham.
„Fehlanzeige in seiner Wohnung und am Arbeitsplatz“, meldete Fields. „Der Vermieter hat ihn seit zwei Wochen
nicht mehr gesehen, und sein Chef sagt, er hat sich vor zwei Tagen krank gemeldet und ist seitdem nicht mehr dagewesen.“ „Ich will auf der Stelle Agenten an beide Adressen!“
„Sind schon auf dem Weg, Sir.“
„Was ist mit den Kieferknochen?“ erkundigte sich Bolton. „Implantate“, erklärte Erdham. „Würde ich sagen. Sehen Sie hier?“ Er drückte dreimal auf eine Taste, so dass Evandros Foto so stark vergrößert wurde, dass wir nur noch die ruhigen Augen, die obere Nasenhälfte und die Wangenknochen sahen. Mit einem Stift fuhr Erdham über die linke Wange. „Die Haut hier ist viel weicher als auf dem anderen Bild. Hier ist fast gar kein Fleisch mehr drunter. Aber da… Und sehen Sie, wie die Haut

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