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Absender unbekannt

Absender unbekannt

Titel: Absender unbekannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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Wir können davon ausgehen, denke ich, dass Arujo sie angestiftet hat. Sie verweist auf Kevin Hurlihy und damit indirekt auf Jack Rouse. Sie wenden sich an Gerry Glynn, der der Kollege von Alec Hardimans Vater war. Er bringt Sie auf Hardiman selbst. Hardiman brachte Charles Rugglestone in Ihrer Nachbarschaft um. Außerdem gehen wir davon aus, dass er Cal Morrison getötet hat. Ebenfalls in Ihrer Nachbarschaft. Damals waren Sie und Kevin Hurlihy Kinder, Jack Rouse besaß einen Gemüseladen, Kevin Hurlihys Mutter Emma war Hausfrau, Gerry Glynn war Bulle, und Ihr Vater, Mr. Kenzie, war Feuerwehrmann.“
Er reichte mir eine etwa zwanzig mal dreißig Zentimeter große Karte der Gegend um den Edward Everett Square, Savin Hill und Columbia Point. Irgend jemand hatte einen Kreis um die Strassen gezogen, die damals zur Gemeinde von St. Bart’s gehörten: der Edward Everett Square selbst, der Blake Yard, der U-Bahnhof JFK/Uni Massachusetts, ein Teil der Dorchester Avenue von der South Boston Linie bis zur St. William’s Kirche in Savin Hill. Innerhalb des Kreises waren fünf kleine schwarze Quadrate und zwei große blaue Punkte gemalt.
„Was bedeuten die Quadrate?“ Ich blickte Bolton an.
„Ungefähre Angabe der Wohnorte von Jack Rouse, Stan und Diandra Timpson, Emma Hurlihy, Gerry Glynn und Edgar Kenzie im Jahr 1974. Die zwei blauen Punkte sind die Tatorte der Morde an Cal Morrison und Charles Rugglestone. Alle Quadrate und Punkte sind nicht mehr als eine Viertelmeile voneinander entfernt.“ Ich starrte die Karte an. Meine Gegend. Ein kleiner, vergessener, ärmlicher Stadtteil mit zweistöckigen Häusern,
verblichenen Häusern mit Satteldach, winzigen Gaststuben und Eckläden. Abgesehen von gelegentlichen Schlägereien in Kneipen zog dieser Ort keine besondere Aufmerksamkeit auf sich. Und doch war jetzt das FBI hier und richtete Flutlicht auf uns, das weithin zu sehen war.
„Was Sie da vor sich sehen“, behauptete Bolton, „ist eine Mördergrube.“
Aus einem leeren Konferenzraum rief ich Angie an.
Sie hob beim vierten Klingeln ab, atmete schwer. „Hey, ich bin gerade reingekommen.“
„Was machst du gerade?“
„Ich red mit dir, du Dussel, und gucke meine Post durch. Rechnung, Rechnung, Rechnung, Pizza-Service, Rechnung…“
„Wie war’s mit Mae?“
„Klasse. Ich hab sie gerade bei Grace abgeliefert. Wie war dein Tag?“
„Der Typ mit dem Bart heißt Evandro Arujo. Er war im Knast Alec Hardimans Partner.“
„Blödsinn!“
„Nein. Sieht aus, als war das unser Typ.“
„Aber er kennt dich nicht.“
„Das stimmt.“
„Wieso lässt er dann deine Karte in Karas Hand?“
„Zufall?“
„Und dass Jason umgebracht wird, ist auch Zufall?“
„Vielleicht ein riesengroßer Zufall?“
Sie seufzte, und ich hörte, dass sie einen Briefumschlag aufriss. „Das hört sich nicht sehr logisch an.“
„Stimmt“, bestätigte ich.
„Erzähl mir von Hardiman!“
Das tat ich. Dann berichtete ich ihr von meinem Tag,
während sie weiter Briefumschläge öffnete und mit geistesabwesender Stimme „Jaja“ sagte, was mich wirklich rasend gemacht hätte, wenn ich sie nicht so gut kennen würde und wüsste, dass sie gleichzeitig Radio hören, Fernsehen gucken, Nudeln kochen und mit jemand anderem im Zimmer plaudern konnte und doch jedes Wort mitbekam, das ich am Telefon zu ihr sagte. Doch mitten in meinen Ausführungen hörte das „Jaja“ plötzlich auf, statt dessen herrschte Stille, eine gespannte, aufgeladene Stille. „Ange?“
Nichts.
„Angie?“ fragte ich erneut.
„Patrick“, sagte sie mit einer geisterhaften, leisen Stimme. „Was? Was ist passiert?“
„Bei mir in der Post ist ein Foto.“
Ich sprang vom Stuhl. „Von wem?“
„Von mir“, antwortete sie. Dann: „Und Phil.“

25
    „Vor dem Kerl soll ich Angst haben?“ Phil hatte eines der Fotos in der Hand, die Angie von Evandro geschossen hatte.
„Ja“, sagte Solton.
Phil schlug mit dem Bild gegen die Hand. „Tja, hab ich aber nicht.“ „Glaub mir, Phil“, mischte ich mich ein, „es war besser für dich.“ Er sah uns alle an, Bolton, Devin, Oscar, Angie und mich, die wir uns in Angies winzige Küche gequetscht hatten, und schüttelte den Kopf. Dann griff er in seine Jacke und zog eine Pistole hervor, richtete sie auf den Boden und prüfte die Munition.
„O Gott, Phil“, rief Angie, „tu sie weg!“
„Haben Sie einen Waffenschein dafür?“ fragte Devin.
Phil hielt die Augen gesenkt, der Haaransatz war dunkel vor Schweiß.
„Mr. Dimassi“,

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