Absolut WILD 3
kraulte ihm ein bisschen die Ohren. Er brummte mich an und schubste mich so fest, dass ich auf den Hintern fiel.
»Nein, Boris!«, begann ich zu protestieren, aber im nächsten Moment saß er auch schon auf mir. Er war so schwer, dass ich ihn ohne Hilfe nicht von mir herunterbekam.
»Bitte … Tori …«, ächzte ich. »Schubs … Boris … von mir runter, ja?«
»Kommt überhaupt nicht in die Tüte«, sagte Tori und stützte sich auf einen Ellbogen, um mein kleines Problem besser beobachten zu können. »Das ist meine Rache für deinen Diva-Anfall in Harting Park!«
Ich stöhnte und ließ mich auf den Rücken sinken. Meine Schwester war ein großer Fan des Sprichworts »Rache wird am besten kalt serviert«. Boris machte es sich noch ein bisschen bequemer auf mir, bis ich platt wie eine Flunder dalag.
»Oder sagen wir, ein Teil meiner Rache«, schob Tori nach. »In ein paar Tagen fällt mir bestimmt noch was anderes ein.«
Ich wusste, wann ich mich geschlagen geben musste.
»MAMA!«
22
Jippiejuchee!
Am Donnerstag rannten wir nach Schulschluss, so schnell wir konnten, zum Bus. Als wir zu Hause angekommen waren, winkte uns Charlie wie jeden Tag durch das Tor von Wild World , und ein paar Leute, die gerade herauskamen, drehten sich nach uns um und fragten sich offensichtlich, warum die zwei Mädchen in Schuluniform keine Eintrittskarten kaufen mussten.
Das Bärengehege war nicht sehr weit vom Eingang entfernt. Wie gewohnt hatte sich dort eine große Menschenmenge versammelt: Ivana war zur Zeit die Attraktion. Als wir uns nach vorn durchgedrängt hatten, sahen wir ein braunes Fahrrad mit hohem Lenker und dünnen Reifen vor dem Bärenhaus liegen. Es sah richtig altertümlich aus – viel älter, als es vermutlich war. Von Ivana war weit und breit nichts zu sehen.
»Ist sie schon drauf gefahren?«, fragte Tori eine Frau, die neben uns stand.
Die Frau zog die Nase kraus. »Nicht, seit ich hier bin«, sagte sie. »Aber ich weiß auch gar nicht, ob ich es gut finde, wenn man einen Bären Fahrrad fahren lässt.«
Matt hatte die Geschichte von Ivana und ihrem Fahrrad ausgedruckt, und sie hing für jeden sichtbar am Zaun. Vielleicht war die Frau ja ein bisschen kurzsichtig.
Tori und ich bahnten uns einen Weg aus der Menge und gingen zum Bärenhaus. Als wir durch das Beobachtungsfenster schauten, sahen wir Ivana friedlich im Stroh liegen und Anna und Sasha säugen.
»Sie sieht ziemlich gut gelaunt aus«, meinte Tori. »Findest du nicht auch?«
Tja, wer konnte das schon so genau sagen?
Mama bürstete gerade Boris’ Bauchfell, als wir fünf Minuten später zur Tür hereingefegt kamen. Hasi brachte uns ein Geschirrtuch als Willkommensgeschenk und ließ es vor unsere Füße fallen.
»Wie war die Schule, queridas ?«, fragte Mama.
Warum stellten Eltern nur immer wieder diese unglaublich langweilige Frage? Schule war Schule. Dachten sie etwa, wir würden uns vom Dach des Naturwissenschaftstrakts abseilen oder unsere Lehrer als Geiseln halten oder auf den Fluren mit verrückten Hüten auf dem Kopf Rollschuh laufen? Also wirklich!
»Gut«, sagte ich, um die lästige Frage abzuhaken, und kickte das Geschirrtuch zur Seite. »Gefällt Ivana ihr neues Fahrrad?«
»Sie hat es ausprobiert, aber nur kurz«, erzählte uns Mama. Boris rollte sich auf den Bauch und blieb wie ein zu dick geratener Zugluftdackel auf ihren Füßen liegen. »Sie muss schon ein paar Runden darauf drehen, bevor wir sagen können, ob sie Spaß daran hat. Dr. Nik und ich wollen Boris erst zu ihr lassen, wenn wir ganz sicher sind, dass Ivana hundertprozentig glücklich und zufrieden ist.«
»Aber der Dreh soll doch schon kommende Woche sein«, sagte ich. Warum war die Zeit nur so gegen uns?
»Wenn wir es überstürzen, wird Boris womöglich gefressen«, merkte Tori neunmalklug an.
»Aber wenn wir es nicht in den nächsten paar Tagen machen, ist es zu spät und Ivana nimmt Boris nicht mehr an!«, erwiderte ich. Wir saßen wahrhaftig in der Zwickmühle, wie es so schön heißt.
»Mr Valkyrie kennt die Situation«, sagte Mama und seufzte. »Wir können ja noch mal nach Ivana sehen, wenn der Park schließt.«
Tori und ich beschäftigten uns in der nächsten Stunde lustlos mit unseren Hausaufgaben und sahen dabei ständig auf die Uhr. Als die Zeiger auf Viertel nach fünf standen, legte Mama Boris und Hasi die Leinen an, und wir gingen zusammen durch den von Laternen erhellten Park zum Bärengehege.
Das historische Fahrrad lag noch an derselben
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