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Abzocker

Abzocker

Titel: Abzocker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Block
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schlenderte davon. Niemand stellt einem Fragen, wenn man einen Dollar Trinkgeld gibt; jedenfalls nicht Leute in einer Gepäckaufbewahrung, die sich für vierzig Dollar die Woche fünfmal am Tag von Kunden anpöbeln lassen müssen. Der Mann würde sich nicht einmal daran erinnern, welche Koffer ich genommen hatte. Und bis L. K. B. bemerkte, was passiert war, war ich schon lange verschwunden. Die meisten Leute brauchen lange, um zwei und zwei zusammenzuzählen, und selbst dann kommen sie meistens auf fünf.
    Ein Taxi brachte mich ins Shelburne. Ein Portier öffnete mir die Tür und nahm meine Koffer. Ein Page nahm sie ihm ab und führte mich zur Rezeption. Ich lächelte dem Mann hinter der Theke kurz zu und verlangte das beste Einzelzimmer im Hause. Ich bekam es. Er fragte mich, wie lange ich bleiben wollte, und ich antwortete, ich wüsste es nicht – eine Woche, zwei Wochen.
    Das gefiel ihm.
    Mein Zimmer lag im obersten Stockwerk, ein angenehmer Raum von den Ausmaßen eines Palastes, in dem sechs ausgewachsene Menschen bequem hätten wohnen können. Das Mobiliar war modern, der Teppich dick. Ich war glücklich.
    Zuerst stellte ich mich unter die Dusche, um den Eisenbahngeruch loszuwerden. Dann streckte ich mich auf dem Doppelbett aus und hing angenehmen Gedanken nach. Mein Name war nun Leonard K. Blake. Ein guter Name, ebenso gut wie David Gavilan. Selbst mein eigener Name war nicht besser.
    Ich stand auf, ging zum Fenster und blickte hinaus. Unter mir lag die Uferpromenade, und auf der anderen Seite der Promenade war schon der Strand. In diesem Abschnitt hielten sich nicht allzu viele Menschen auf, denn er war privat – reserviert für Gäste des Shelburne. Sie mussten sich den Strand nicht mit den Massen teilen. Nicht, wenn man Leonard K. Blake hieß. Der lebte immer erster Klasse.
    Der Strand war voller Männer, voller Mädchen und voller Kinder. Ich entschied, dass es höchste Zeit war, dass ich mich zu ihnen gesellte. Der Tag war zu heiß, um im Hotel herumzusitzen, trotz der Klimaanlage. Ich musste ins Wasser, und ich brauchte Sonne. In Philly verwandelt sich selbst wunderbar gebräunte Haut ziemlich schnell in einen bleichen, ungesunden Teint.
    Ich zog die Badehose wieder an, hängte den Anzug in den Schrank und verstaute die übrigen Klamotten, die ich mitgebracht hatte, in die Schubladen. Die Koffer von L. K. B. stellte ich in den Schrank. Ich konnte auch noch später nachsehen, was für feine Sachen ich von ihm geerbt hatte. Wenn die Qualität seiner Kleider der des Gepäcks entsprach, dann musste ich mir um meine Kleidung keine Sorgen mehr machen. Hoffentlich hatte er meine Größe.
    Ich nahm den Lift für die Badenden, der auf die Ebene des Strands führte. Dort ließ ich mir von einem Angestellten ein Handtuch geben. Das Shelburne besaß einen Privatweg, der vom Hotel unter der Uferpromenade direkt zum Strand führte, eine ausgesprochen bequeme Einrichtung. Ich fand eine menschenleere Stelle im Sand, legte mein Handtuch aus und stürzte mich in die Fluten.
    Es war ein guter Tag zum Schwimmen. Ich ließ mich eine Weile von den Wellen umwerfen, dann legte ich mich ins Zeug und schwamm wie ein Wilder gegen sie an. Schließlich gab ich den Wettstreit auf, spielte toter Mann und ließ mich treiben. Aber ich versuchte dabei wach zu bleiben. Ein Onkel von mir hat sich einmal in Jones Beach auf dem Rücken treiben lassen und ist dabei eingeschlafen. Die Küstenwache hat ihn über zwanzig Kilometer vom Strand entfernt aufgefischt. Also blieb ich lieber wach.
    Nach einer Weile wurde das mit dem Wachbleiben etwas anstrengend. Ich ging aus dem Wasser und kletterte den Strand hoch wie ein Walross mit bleiernen Armen. Beziehungsweise mit bleiernen Vorderbeinen, oder was für Extremitäten Walrösser auch immer haben mögen. Ich warf mich auf mein Handtuch und streckte mich auf dem Bauch aus.
    Und fiel in einen süßen Schlummer.
     
    Ihre Berührung weckte mich. Nicht ihre Stimme, obwohl ich mich viel später daran erinnerte, sie im Schlaf gehört zu haben, so wie man sich an einen läutenden Wecker erinnert, den man nie abgestellt hat.
    Aber ihre Hände weckten mich. Weiche Hände an meinem Nacken, Finger, die einen simplen Rhythmus auf meiner Haut trommelten.
    Ich wälzte mich zur Seite und öffnete die Augen.
    »Sie sollten nicht so schlafen«, sagte sie. »Nicht bei dieser Sonne. Sie holen sich einen bösen Sonnenbrand auf dem Rücken.«
    »Danke«, sagte ich.
    »Sie brauchen mir nicht zu danken. Ich wollte Sie

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