Acacia 01 - Macht und Verrat
werde sie aufsuchen.«
Das Königreich Halaly wurde auf drei Seiten von Hügeln begrenzt. In seiner Mitte lag ein flacher See, aus dem ein Fluss hervorströmte. Wegen des Fisch- und Vogelreichtums dort litten die Halaly niemals Hunger, auch nicht während längerer Dürreperioden. Es war dieser Überfluss, der sie so mächtig machte. Sie waren abhängig von den kleinen, silbrigen Fischen, von denen es im See wimmelte – sie wurden gebraten und zu Suppe verarbeitet, getrocknet, eingelegt oder zu einer Paste zermahlen, oder man ließ sie in Tongefäßen in der Erde fermentieren. Als Totem aber hatten sie ein Tier ausgewählt, das ihrer Ansicht nach besser zu ihrem Wesen passte. Diese Wahl war alles andere als originell.
»Glaubt eigentlich jeder Mann in diesem Land, er wäre von einem Löwen gezeugt worden?«, erkundigte sich Aliver, als er und Kelis auf die Lehmwände der Halaly-Siedlung zuschritten. Die dreifach mannshohe Festungsmauer wurde von scharfen, gebogenen Eisenhaken gekrönt. Sie sah gewaltig aus, war jedoch vor allem dazu gedacht, Besucher zu beeindrucken und die nachts jagenden Raubtiere fernzuhalten. Und sie diente als Hintergrund für die daran befestigten Löwenfelle.
»Keineswegs«, entgegnete Kelis und musterte die Felle.
»Manchmal war es auch ein Leopard.«
Sie waren heimlich von Umae aufgebrochen, nur sie beide. Aliver wollte Oubadal mit seinem Besuch überraschen und aus seinem Mund erfahren, was er zu sagen hatte. Man hatte ihn gewarnt, dass der Halaly-Häuptling eine Belohnung für seine Unterstützung erwarten werde. Aliver hatte allerdings keine rechte Vorstellung davon, was er verlangen könnte.
Da nur wenig den Häuptling der Halaly überraschte, erwartete er Aliver im Schatten einer großen, kegelförmigen Hütte, deren Strohdach von knorrigem Buschholz gestützt wurde und die nach den Seiten hin offen war. Flankiert von einem kleinen Gefolge saß Oubadal in der Mitte der Hütte. Am Rand des Schattens hockten ein paar alte Männer. Sie verfolgten Alivers Näherkommen mit gelblichen Augen und einer Feindseligkeit, die in scharfem Gegensatz zu ihren verkrümmten Greisenkörpern stand, als wäre jeder von ihnen imstande, aufzuspringen und die Ankömmlinge zu erwürgen, sollten sie ihren Häuptling bedrohen oder beleidigen.
Oubadal trug seine Königswürde mit einer Fassung, die an sein Totem gemahnte, mit breiter nackter Brust und dickem Hals. Seine Gesten waren bedächtig, die Augen schwerlidrig und träge in ihren Bewegungen, seine Züge gerundet und markant. Er trug einen goldenen Nasenring, der sich funkelnd von der kohleschwarzen Haut abhob. Der Häuptling musterte Alivers Gesicht mit unverhohlener Neugier, vor allem seine schmale acacische Nase, die dünnen Lippen und seine helle Hautfarbe.
»Ich habe mich schon gefragt, wann du kommen würdest«, sagte der Häuptling. »Ich habe gehört, du hast einen Laryx erlegt. Meinen Glückwunsch. Du solltest stolz sein; ich war es damals auch. Jetzt bin ich zu wohlhabend, um hinter Tieren herzujagen. Das erledigen andere für mich. Auch mit den sagenumwobenen Santoth habe ich nie gesprochen. Du bist ein erstaunlicher Mann, Prinz Aliver.«
»Wie ich sehe, gibt es nicht viel, was Oubadal nicht weiß«, sagte Aliver. »Dann weißt du wohl auch, worüber ich mit dir beraten möchte?«
Der Häuptling trommelte ein paar Mal mit den dicken Fingern auf seine Schenkel, ein Zeichen, dass Aliver zu voreilig war. Er lenkte das Gespräch erneut in unverfängliche Bahnen, erkundigte sich nach dem Wohlergehen der Talay und stellte Alivers Wissen über die bedeutenden Familien des Nachbarvolkes auf die Probe. Aliver beantwortete seine Fragen, so gut er konnte, und ärgerte sich insgeheim, dass er zu rasch auf den eigentlichen Grund seines Besuchs zu sprechen gekommen war. Obwohl er sich hier zu Hause fühlte, vergaß er in seiner Hast die hiesigen Gebräuche doch zu oft.
Als Oubadal eine halbe Stunde später verstummte, lauschten sie eine Weile auf das Summen der Insekten und das ferne Kindergeschrei. Beide Männer nippten an einem Palmensaftgetränk, kühl und erfrischend in der drückenden Hitze. Aliver warf Kelis einen Blick zu, der bestätigte, dass der Moment gekommen sei.
»Edler Oubadal«, begann Aliver, »du weißt vielleicht schon, worüber ich mit dir sprechen möchte. In Kürze wird die Welt in einem weiteren großen Krieg entbrennen, in einem Kampf, der wiedergutmachen wird, was angerichtet worden ist, als Hanish
Mein sein Volk und
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