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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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Sie stellte sich vor, wie Igguldan genau das tat. In ihrer Vorstellung galoppierte er durch eine windgepeitschte Wildnis, die ganz anders war als das gepflegte Meeresjuwel Acacia. Aushenia war sehr weit weg, nicht nur, was die Entfernung anbelangte. Es war ein wildes Land, in dem man verloren gehen oder sich in anderer Gestalt neu erfinden konnte.
    »Glaubt Ihr, ich könnte mit Euch gehen?«, fragte sie. »Ich wäre Euch keine Last. Es ist nur, ich will fort von hier. Ich will bei Euch sein, nur bei Euch.« Seit dem Tod ihres Vaters hatte sie keinen Gedanken darauf verwendet, doch als sie die Worte aussprach, war sie überzeugt, dass sie wahr waren. Das war genau das, was sie sich wünschte, mehr als irgendetwas anderes.
    Igguldan legte die Hände um die ihren und hielt sie fest. Zusammen ließen sie sich auf der Bettkante nieder und saßen dicht nebeneinander. »Ich wünschte so sehr, die Welt wäre nicht so von Sinnen und ich wäre Euch zu einer anderen Zeit begegnet. Euer Vater war ein ganz besonderer Mann. Nachdem ich mit angesehen habe, wie er niedergestochen wurde, war mir elend zumute. Einfach elend! Aber trotzdem habe ich ständig an Euch gedacht. Alles, was ich gehört oder gesehen oder empfunden habe, hat mich an Euch erinnert. Die Welt bricht auseinander, aber alles, woran ich denken kann, seid Ihr. ›Das ist nicht recht‹, habe ich zu mir gesagt. ›Reiß dich zusammen‹. Aber ich konnte nicht. Und dann habe ich gedacht: Vielleicht ist das Liebe. Das ist es. Du bist in Prinzessin Corinn verliebt. Ich weiß, es schickt sich nicht, dass ich es so ausspreche. Aber die Zeit ist so knapp. Ich musste Euch einfach noch einmal sehen, bevor wir beide in verschiedene Richtungen ziehen. Ihr müsst einfach wissen, dass Ihr geliebt werdet. Wohin auch immer es Euch in der Welt verschlagen mag, Ihr nehmt meine Liebe mit Euch.«
    Wieder hatte der Prinz genau das Richtige gesagt. Sie wurde geliebt. Er – tapfer, stattlich und treu ergeben – liebte sie. Sie drückte ihm die Hand und schob sich ein kleines Stück vor. »Ich gehe nirgendwohin«, sagte Corinn in der Annahme, der Prinz habe sich geirrt. »Ich wünschte, es wäre so. Ich würde mit Euch gehen, wenn Ihr mich darum bitten würdet.«
    Der Griff des Prinzen lockerte sich ein wenig. »Hat man es Euch noch nicht gesagt? Corinn, Ihr sollt morgen ebenfalls von hier aufbrechen. Euer Bruder war zornig darüber und musste seinem Ärger Luft machen. Alle Akaran-Kinder sollen die Insel verlassen und irgendwo Zuflucht suchen. Der Kanzler denkt, woanders wärt ihr sicherer, an einem geheimen Ort.«
    »An einem geheimen Ort?«, flüsterte die Prinzessin.
    Der Prinz glaubte, sie wolle mehr über ihren Bestimmungsort erfahren. Er räumte ein, nicht mehr zu wissen, doch Corinn hatte gar keine Antwort von ihm erwartet. Sie überlegte, wohin man sie bringen könnte. Schon oft hatte sie von Reisen an ferne Orte geträumt und sich gefragt, wie man sie dort wohl aufnehmen und ob man sie schön finden würde. Würden sie nach Talay reisen? Oder an die candovische Küste? Würden sie zu den Außeninseln segeln oder an einen anderen Ort, weit vom Mittelpunkt des Reiches entfernt? Oder gar nach Alecia? Das wäre wohl kaum ein geheimer Ort, aber vielleicht machte sie sich ja falsche Vorstellungen. Vielleicht würde sie die nächsten paar Wochen eingesperrt in einem Gemach in der Hauptstadt verbringen. Obwohl die Neuigkeit sie überraschte, empfand sie nicht das Gefühl der Dringlichkeit, das vielleicht zu erwarten gewesen wäre. Wenigstens würde sich etwas bewegen, etwas verändern und sie würde aus dem Palast herauskommen. Das konnte doch nicht schlecht sein, oder?
    Sie fragte Igguldan, wo er hingehen würde, wenn er sich verstecken müsste. Die Frage verblüffte ihn ein wenig, doch dann dachte er darüber nach. Schließlich antwortete er, den Nordteil von Aushenia würde er als Versteck jedem anderen Ort vorziehen. Dort gebe es eine Gegend, wo sich der Wald den Berghang hinaufziehe, bis zu den Felsplatten am Fuße der Gradtischen Bergkette. Es sei ein kaltes Land, doch die Luft sei so belebend, dass es einen mit Kraft und Gesundheit erfülle, wenn man sie einatme. Die Berge seien die meiste Zeit des Jahres über eine nordische Wildnis, Heimat großer Braunbären und einer Wolfsart, die anders sei als jene in den Wäldern. Er sei nur einmal dort gewesen, vor ein paar Jahren, habe jedoch niemals das Gefühl vergessen, bei Sonnenuntergang auf diesen Felsen zu stehen, die Berge im

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