Acacia 01 - Macht und Verrat
die Macht, die hier konzentriert war, das unergründliche Labyrinth der Intrige, das verborgene Beziehungsgeflecht. Die Komplexität der Stadtquadranten überstieg nahezu sein Fassungsvermögen. Gleichviel. Rialus hatte seit langem geglaubt, dass er innerhalb der blass schimmernden Mauern der Innenstadt gedeihen würde, von der Sonne gewärmt, geziert von Kletterpflanzen und nur von süßem Wohlgeruch umweht.
Deshalb war es schade, dass er Alecias Stadttore als Verräter an dem Volk durchschritt, das er so sehr verehrte. Er bemühte sich, nicht daran zu denken, und es gelang ihm auch weitgehend, seine Gedanken auf die Reichtümer zu konzentrieren, die endlich in greifbare Nähe gerückt waren. Wie er Maeander bereits erklärt hatte, konnte er in der Hauptstadt auf Verbündete zählen, die sein Verlangen danach teilten, dass der Reichtum der Stadt neu verteilt werde. Einige gehörten der Neptos-Familie an, viele andere jedoch waren von seinen Agenten bei heimlichen Treffen angeworben worden. Sie trafen sich in engem Kreise und wussten nur wenig von den anderen, die in kleinen Grüppchen auf die gleiche Weise bearbeitet wurden. Er musste ein Versprechen einhalten. Wenn er endlich seinen lange verdienten Lohn einstreichen konnte, schreckte er nicht vor dem Blut zurück, das andere vergießen würden. In den ersten Tagen, die er in Alecia verbrachte, war Rialus ein Mann mit zwei Gesichtern. Sein öffentliches Antlitz vergoss Tränen des Kummers über den kommenden Krieg. Insgeheim hielt er in dem Villenviertel am Hang jedoch bereits Ausschau nach einem passenden neuen Heim. Genau wie er es immer geglaubt hatte, würde der Schöpfer die Verdienstvollen belohnen.
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Ein solcher Lärm war in der unwirtlichen Eiswüstenei noch nie vernommen worden: das Grunzen der Zugtiere, das ständige Gebrüll, das Tönen zahlloser Glöckchen, das Mahlen eines marschierenden Stiefels nach dem anderen und das unablässige Knirschen von riesigen Gegenständen, die über einen Untergrund gezogen wurden, der sich nicht entscheiden konnte, ob es in seiner Natur lag, zu helfen oder sich zu widersetzen. Es war das Scharren von Metall und Holz über Eis, das Geräusch einer Flotte von neunzig Kriegsschiffen, die ein gefrorenes Meer überquerten. Gezogen wurden sie von hunderten wolligen Ochsen, die von einer Streitmacht von fünfzehntausend Männern angetrieben wurden, an deren Stiefeln Schellen befestigt waren. Die Alten hatten Hanish angewiesen, jeder Mann solle ein Glöckchen am Körper tragen, auf dass sie deren Klang vernähmen, ganz gleich, wie groß die Entfernung war, die die Männer zurücklegten. Sie sollten sich der Welt mit Stimmen ankündigen, die für die vielen schweigenden Generationen sprächen, welche sich abgemüht hatten, um dies möglich zu machen. Die Tunishni mussten sie gewiss hören und in ihrer stillen Kammer wissen, wie ihre Kinder sie ehrten.
Mit den zurückgelegten Meilen fühlte Hanish, wie die Verbindung zu den Alten schwächer wurde. Dennoch war er sich noch nie so sicher gewesen wie jetzt, dass er ihres Vertrauens würdig war und ihre Wünsche erfüllen würde. Ihm war es zu verdanken, dass die im milden Klima Acacias kursierenden Gerüchte wahr wurden, in einem Ausmaß jenseits der wildesten Vorstellungen. Die wenigen Schiffe, welche die Fischer vor Wochen erspäht hatten, waren lediglich ein Kundschaftertrupp gewesen, der bestätigen sollte, dass das, was Hanish sich vorstellte, durchführbar war. Hanish hatte die Truppe angewiesen, sich nicht zu verstecken. Er war der Ansicht, dass die Menschen ungeachtet dessen, was sie über Truppenbewegungen im Norden hörten, es erst glauben würden, wenn sie sich der Zukunft, die er ihnen brachte, von Angesicht zu Angesicht gegenübersahen. Warum sollten sie sich also nicht über Phantome den Kopf zerbrechen, die sie zwar nicht gänzlich leugnen, an die sie aber auch nicht wirklich glauben konnten?
»Die Natur war für die Mein schon immer das, was die Peitsche für den Ochsen ist!«, brüllte Haleeven ihm über das Heulen des Windes hinweg ins Ohr. »Sie ändert nichts. Sie verlangsamt unseren Vormarsch ein wenig und hält uns bei der Stange. So soll es auch sein.« Sein Onkel hatte stets im richtigen Augenblick solche Weisheiten parat, und Hanish war froh, ihn an seiner Seite zu wissen. Obwohl er sich nach außen hin nichts anmerken ließ, war es oft schwer, unerschütterliches Selbstvertrauen an den Tag zu legen. Der ältere Mann, genau wie sein Vater, war eine
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