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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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lebende Kraftquelle.
    Eines Morgens gegen Ende der ersten Woche auf dem Marsch nach Süden besserte sich das Wetter so plötzlich, dass die Tiere unruhig wurden. Die Geräusche, das Gefühl, sogar das Gewebe der Welt selbst waren verändert, und die Männer blickten blinzelnd in die Ferne, einige lauschten mit schief gelegtem Kopf auf die Eigenartigkeit von alldem. Die Himmelskuppel leuchtete blassblau. Die Sonne war noch kaum zu sehen, erhellte aber gleichmäßig das ganze Firmament. Hanish kletterte hoch in die Takelage des Schiffes hinauf, auf dem er mitfuhr. Die rauen Seile schnitten in seine Hände, und seine Füße rutschten auf den eisverkrusteten Sprossen. Er war kein Seemann. Wer von denen, die im Mein geboren waren, war das schon? Gleichwohl verspürte er Freude, als er sich im Ausguck an den Hauptmast lehnte, das Gesicht von der Anstrengung des Kletterns gerötet, durchgeschüttelt von den vereinzelten Windstößen, die seine Atemwolken davonwehten.
    Vor ihm erstreckte sich eine schmerzhaft blendende weiße Welt. Er schützte die Augen mit einem Schirm aus berußtem Glas. In diesem künstlichen Zwielicht sah er sein Unternehmen zum ersten Mal zur Gänze in Bewegung. Ringsumher überquerte eine Flotte ein erstarrtes weißes Meer. Neunzig Schiffe, die weder schwankten noch schaukelten. Die Segel waren fest verzurrt, die Takelage funkelte wie von Tau benetzte Spinnweben. Die Schiffe glitten auf eisenbeschlagenen Holzkufen dahin. Die Zugochsen sahen mit ihrem dicken Fell nahezu formlos aus. Etwa fünfzig Tiere in Zweierreihen zogen jeweils ein Kriegsschiff, angetrieben von in Pelzen gehüllten Männern, die nur entfernte Ähnlichkeit mit Menschen hatten.
    Hinter den Schiffen kamen zu Fuß und auf Schlitten die Soldaten, für die Kälte und den Überlebenskampf gerüstet. Es war keine gewaltige Streitmacht, doch es war das Äußerste, was sie aufbieten konnten. Unter den Soldaten waren nicht wenige Grauhaarige und zahlreiche bartlose Halbwüchsige von dreizehn und vierzehn Jahren. Sie würden jedoch voller Stolz kämpfen, und außerdem war dies nur eine der drei Spitzen seines Angriffs. Eine weitere Armee von fünftausend Männern marschierte über den Nordpass ins candovische Seengebiet ein. Dort würden sie unter dem Befehl seines Bruders höchst nützliche Verwüstungen anrichten. Dann waren da noch die Numrek, die gewiss inzwischen Aushenia eingenommen hatten. Und schließlich gab es noch zahlreiche andere Pläne, die sie im Laufe der Jahre in Tahalia ausgeheckt hatten. Ein Wunder, dass dies alles wirklich in Gang gesetzt worden war!
    Hanish harrte so lange im Ausguck aus, bis sein Gesicht und seine Hände längst taub geworden waren, und kletterte erst wieder hinunter, als die Sonne, wo immer sie am Himmel versteckt gewesen sein mochte, hinter dem Eis versank, die Welt dunkel wurde und der Sturm zurückkehrte, eine Wand wie aus Glasscherben, geschleudert vom zornigen Wind.
    Einige Tage später erreichten sie den Vorposten Scatevith, wo sie riesige Mengen an Vorräten aufnahmen. Sie blieben zwei Tage, um notwendige Reparaturen vorzunehmen. Bald zogen sie weiter nach Süden und umgingen die Berge, die den Rand des Mein-Plateaus säumten. Dort befand sich ein weites Tal, das zu den Wäldern von Eilavan hin allmählich abfiel und wo das Vorankommen leichter war als in den meisten Gegenden des Methalischen Rands. Sie gelangten in eine mit gedrungenen Kiefern gesprenkelte Schneelandschaft; die Bäume barsten in den Lagerfeuern unter lautem Knacken. Obwohl die Temperatur jede Nacht unter den Gefrierpunkt fiel, nahmen viele Soldaten die Pelzkappen ab und schüttelten verfilzte Haarmähnen aus, die ihnen wie dickes Tauwerk bis auf die Brust fielen. Mit der Erlaubnis des Häuptlings zogen kleine Gruppen voraus, um Rentiere zu jagen. Der Rauch bratenden Fleisches tanzte über der Landschaft.
    Hanish, die Nase emporgereckt, um den Bratenduft einzufangen, musste an die alten Geschichten denken, wie die Akaran mithilfe von zweifelhaften Bündnissen und gebrochenen, erneuerten und abermals gebrochenen Versprechen den Thron gestohlen und sich dann daran gemacht hatten, alle Völker zu bestrafen, die stark und tapfer genug gewesen waren, ihnen die Stirn zu bieten und ihnen ihre Verbrechen vorzuhalten. Damals waren die Mein mit dem Fluch belegt, damals waren die Tunishni geboren, war sein Volk aus dem Tiefland vertrieben und auf das Plateau jenseits des Methalischen Randes verbannt worden. Jahrelang waren sie den

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