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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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Schiff verladen, begann das Eis, unter ihnen zu ächzen und zu beben. Die Männer, die tagelang die Ochsen angetrieben hatten, ließen die Peitschen fallen und kletterten hastig an Bord. Die Ochsen, so lange an Fronarbeit gewöhnt, wimmelten unsicher und verängstigt durcheinander und wussten mit ihrer plötzlichen Freiheit nichts anzufangen. Erst als das erste Schiff sich jäh nach vorne neigte und einen gefährlichen Moment lang das Heck in die Luft streckte, während die Holzplanken ächzten, als würden sie jeden Moment brechen, warfen die Ochsen zornig die gehörnten Köpfe auf und rannten nach Norden davon. Niemand hielt sie auf. Das erste Schiff rutschte aus eigener Kraft voran, fand im Wasser Halt, wurde von der Strömung erfasst und trieb davon.
    Hanishs Schiff war das dritte, dessen Gewicht der Auftriebskraft des Wassers übergeben wurde. In diesem Augenblick war es ihm nicht möglich, innezuhalten und die Neuigkeiten den Tunishni zu übermitteln, so wie er es gern getan hätte. Durch die Ritzen zwischen den gefrorenen Planken schoss Wasser ins Schiff. Der Kapitän brüllte beruhigend, die Planken würden bald quellen und wären dann wasserdicht, deshalb dachte Hanish nicht weiter darüber nach. Er hatte ohnehin keine Muße, sich darum zu kümmern. Der Fluss war so weit im Norden kaum zu meistern, wie immer um diese Jahreszeit war er vom Schmelzwasser angeschwollen, das sich gerade im Binnendelta zu seiner gesamten Wucht sammelte. Hanish hatte im Frühjahr in Acacia einfallen wollen, und wie es aussah, hatte er den Zeitpunkt richtig gewählt. Das Wasser reichte an beiden Ufern bis in die Baumkronen und strömte so reißend dahin, als dränge sich jeder einzelne Wassertropfen bei dem Rennen zum Meer mit aller Gewalt an seinen Weggefährten vorbei. Bisweilen ritten sie auf Wellen, die sich so hoch auftürmten wie Meereswogen. An anderen Stellen erfassten gewaltige Strudel, Unterströmungen und mächtige Wirbel die Schiffe, drehten sie und zerrten an ihren Seiten, sodass Männer ins brodelnde Wasser stürzten. Strömungen wie geballte Wasserfäuste packten die Ruder, ließen sie abbrechen und schlugen dabei mehr als einen Schädel ein.
    Am gefährlichsten aber waren die Stellen, wo die Strömung über Hindernisse hinwegspülte, die normalerweise über das Wasser hinausragten. Manche davon waren für gewöhnlich Inseln, von denen jetzt nur noch die Baumkronen wie die Finger ertrinkender Riesen aus dem Wasser ragten. Dann gab es Felsbänke, die um ein Haar den Rumpf eines der Schiffe aufgerissen hätten, und gewaltige Findlinge, über die das Wasser in schäumendem Chaos hinwegschoss. Eines der vordersten Schiffe wurde von einer solchen Stromschnelle erfasst. Es tauchte tief in die schäumenden Fluten ein, dann stieg es empor, reckte den Bug hoch in die Luft und verharrte einen Moment in der Schwebe, als wollte es himmelwärts schießen. Dann aber rutschte es mit quälender Langsamkeit und ungeachtet des Aufstöhnens der Zuschauer wieder zurück. Das Heck wurde von der wilden Abwärtsströmung unter Wasser gezogen. Das ganze Schiff vollführte einen Salto rückwärts, Männer wurden nach allen Seiten in die Luft geschleudert und stürzten in die Gischt. Ein paar Augenblicke lang überschlug sich das Schiff, dann verschwand es. Als der Rumpf wieder auftauchte, war es kein lebendiges Schiff mehr. Als leblose Hülse durchbrach es die Wasseroberfläche, wie der Bauch eines toten Meereskolosses.
    Sie wurden weiter fortgerissen. Sie ritten auf dem Rücken einer Schlange aus Wasser. Hanish genoss es in vollen Zügen. Er war zu lange eingesperrt gewesen! Wie wundervoll es doch war, frei zu sein, selbst wenn diese Freiheit in den Tod führte. Mit denen, die verloren gegangen waren, hatte er kein Mitleid und trauerte auch nicht um sie. Die Schlange forderte eben einen hohen Tribut für die Dienste, die sie ihnen leistete. Wichtig war nur, dass er seinem Ziel näherkam. So nah, dass er sich bereit machte, etwas auszuprobieren, was er vorher nur in der Abgeschiedenheit Tahalias erprobt hatte.

24

    Aliver begann jede Nacht von Zweikämpfen mit namenlosen, gesichtslosen Feinden zu träumen. Anders als die launigen Phantasien früherer Zeiten, als der Schwertkampf noch ein schwärmerisches Kräftemessen mit mythischen Gegnern gewesen war, waren diese Visionen von düsterer Art, und jeder Moment war von Angst erfüllt. Stets begannen sie harmlos: Er schlenderte durch die Gassen der Unterstadt, unterhielt sich beim Frühstück

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