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Acacia 01 - Macht und Verrat

Acacia 01 - Macht und Verrat

Titel: Acacia 01 - Macht und Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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mit seinen Kameraden oder suchte in seinem Zimmer nach einem verlegten Buch. Irgendwann jedoch schlug immer alles jäh in Gewalt um. Am Ende einer Gasse tauchte ein Soldat mit gezücktem Schwert auf und rief seinen Namen, der Esstisch kippte um, und dahinter schwärmten feindliche Krieger in den Raum wie eine Horde von Spinnen. Sie kamen durch die Fenster und klammerten sich an die Decke, die Schwerter zwischen den metallisch funkelnden Zähnen. Häufig nahm er auch einfach nur hinter seinem Rücken eine formlose, wimmelnde Bedrohung wahr, der er sich würde stellen müssen.
    In seinen Träumen schlug er sich so lange gut, bis er den ersten Treffer anbringen musste. Dann, wenn ihm klar wurde, dass er im Begriff war, die Klinge in ein Lebewesen zu bohren, wie er selbst eines war, geriet der Fluss der Zeit ins Stocken. Bewegungen verlangsamten sich. Seine Muskeln wurden kraftlos und verwandelten sich in nutzlose Pechfäden. Nie sah er seine Klinge ins Fleisch jener Traumfeinde eindringen. Stattdessen erwachte er keuchend, verkrampft und am ganzen Leib zitternd, als hätte der Kampf gerade in der wirklichen Welt stattgefunden. Erst dann wurde er sich der verhassten Wirklichkeit bewusst. Er war nicht aus einem bösen Traum in eine freundliche Welt zurückgekehrt; wieder einmal hatte er die Augen zu einem albtraumhaften Wachtraum geöffnet, den er jeden Tag vergeblich zu verdrängen versuchte.
    Sein Vater war tot. Für Aliver bedeutete dies tausend Dinge, die allesamt verwirrend waren. Nicht einmal die Nachfolge seines Vaters konnte er ohne weiteres antreten. Die Akaran waren strenge Monarchisten, doch die Gesamtlage war dermaßen unübersichtlich, dass sich Alivers Thronbesteigung verzögerte. Derselbe Respekt vor dem Ritual, auf dem die Zustimmung der Menschen zur Monarchie gründete, gebot auch eine strikte Beachtung der Tradition. Könige wurden ausschließlich im Herbst gekrönt, zur gleichen Zeit, da die Asche des verstorbenen Herrschers verstreut wurde. An diesem Tag war Tinhadin gekrönt worden, und man hielt es für unverzichtbar, dass alle anderen Thronfolger seinem ehrwürdigen Beispiel folgten. In der gesamten Geschichte war die Krönung des Nachfolgers so gut wie nie unmittelbar nach dem Tod des herrschenden Monarchen erfolgt. Eine Wartezeit von sieben Monaten war nichts Ungewöhnliches. Ungewöhnlich wäre es vielmehr gewesen, den König an einem anderen Tag und nicht im Beisein sämtlicher Gouverneure zu krönen. Die Vada-Priesterinnen hielten den Zeitpunkt für ungünstig und weigerten sich, einer solchen Zeremonie ihren Segen zu geben. Und die an der Regierung Beteiligten hatten kein Interesse daran, einen unerfahrenen Halbwüchsigen mit einem so bedeutsamen Amt zu betrauen. Ein anderer Prinz hätte vielleicht dennoch die Macht ergriffen. Nicht aber Aliver. Auch wenn er es niemals zugegeben hätte, empfand er so etwas wie Erleichterung, dass man ihm nicht sofort die Krone aufs Haupt gesetzt hatte. Fürs Erste war Thaddeus besser geeignet, als Stimme des Königs zu dienen.
    Von allen Seiten brachen schlechte Nachrichten über ihn herein. Kaum hatte er ein Unglück zur Kenntnis genommen, buhlte auch schon das nächste um seine Aufmerksamkeit. Cathgergen war von einer Barbarenhorde eingenommen, die Garnison vernichtet und der Gouverneur mitsamt seinem Gefolge in die Kälte hinausgetrieben worden, auf dass er den Untergang der Welt verkünde. Dies alles war nicht leicht zu begreifen. Wenn Cathgergen gefallen war, wie viele Soldaten waren dann besiegt worden? Zweitausend? Mindestens so viele. Und bislang deutete nichts darauf hin, dass auch nur einer von ihnen entkommen war, oder auch nur darauf, dass der Feind Gefangene gemacht hatte. Und was war aus den Handwerkern und Händlern geworden, aus den Dirnen, Arbeitern und deren Kindern, aus den vielen Menschen, die den abgelegenen Vorposten Cathgergen erst bewohnbar gemacht hatten? Sie alle waren einfach fort, und bislang hatte noch niemand Aliver erklärt, wie es dazu hatte kommen können.
    Mehrere wichtige alecische Würdenträger waren in ihren Betten getötet worden. Viele waren zusammen mit ihren Frauen, Kindern, Dienern und Sklaven umgekommen; ihre Leichen waren entstellt, als wäre jeder von ihnen einem rasenden Wahnsinnigen zum Opfer gefallen. Zwei Tage später erfolgte ein erneuter Angriff auf Mitglieder der Königsfamilie, als diese von Manil abreisen wollten, der schroffen Felsenküste, an der die prächtigsten Familienpaläste zu finden waren.

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