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Acacia

Titel: Acacia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Anthony Durham
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versprochen. Wenn sie hier eintreffen, werdet Ihr ihnen die Festung übergeben. Ich verlasse mich darauf, dass Ihr Calrach, ihren Häuptling, nicht verärgert; nach allem, was ich von ihm weiß, ist er ein reizbarer Mensch.«
    »Das kann nicht Euer Ernst sein...«
    Maeander sah gekränkt aus. »Ihr widersprecht? Ihr erwartet doch nicht etwa von mir, dass ich ihnen Tahalia überlasse, oder? Es gibt keine andere Möglichkeit. Die Festung gehört ihnen, hier werden sie sich ausruhen und neu formieren. Wenn Ihr möchtet, könnt Ihr der Armee befehlen, Maßnahmen zur Verteidigung zu ergreifen, und anschließend fliehen und Euch dem Schicksal stellen. Seht mich nicht so an. Neptos, ich habe noch nie einen Mann gekannt, der so große Ähnlichkeit mit einer Ratte gehabt hätte.« Einen Augenblick lang flammte echter Zorn in Maeanders Stimme auf, doch er bezähmte sich und fuhr kühl fort: »Ihr mögt jetzt weiteratmen, aber belohnt werden nur die, die sich wirksamer für uns einsetzen.«
    »Ihr habt mich zum Untergang verurteilt«, brachte Rialus hervor.
    »Nicht ich habe Euch verurteilt. Wenn Ihr verurteilt wurdet, dann wurde die Saat schon ausgebracht, als ich Euch noch nicht einmal kannte. So ergeht es uns allen. Mehr habe ich nicht zu sagen.«
    Rialus fand erst die Sprache wieder, als Maeander sich zum Gehen wandte. »Ihr vergesst, dass ich... dass ich der Gouverneur dieser Festung bin.« Maeander musterte ihn nachdenklich. Rialus änderte seine Taktik und schickte der versteckten Drohung eine Absichtserklärung hinterher. »Vielleicht könnte ich mich ja noch bewähren.«
    »Ach, seid Ihr etwa ebenso hinterhältig wie Euer Vater? Wie wollt Ihr Euch denn bewähren?«
    »Wenn Euch mein Angebot gefällt, müsst Ihr mir zusichern, dass ich belohnt werde. Ich kann Euch die Königsfamilie ausliefern - ihre Köpfe, meine ich.«
    »Meine Spione machen sich bereit loszuschlagen. Vielleicht haben sie den König bereits getötet. Die Kunde davon ist womöglich schon zu Hanish unterwegs.«
    »Nein, nein... das weiß ich«, beteuerte Rialus. Im Bewusstsein, endlich einen Rettungsanker gefunden zu haben, hätte er beinahe gelächelt. »Ich meine nicht den König. Leodan ist weder der Anfang noch das Ende des Geschlechts der Akaran.«

8

    Corinn Akaran war sich darüber im Klaren, dass ihr Wissen über die Welt beschränkt war und dass sie sich viele Namen, Familienstammbäume und historische Ereignisse einfach nicht merken konnte. Egal. Das Wenigste davon hatte Auswirkungen auf ihren Alltag. Wichtig war, dass sie die älteste und noch dazu schönste Tochter König Leodans war. Das Reich ihres Vaters würde sie nicht erben - das stand Aliver zu -, doch auch das war ihr recht. Die Aussicht, mit all diesen vertrackten Angelegenheiten zu jonglieren, übte keinerlei Reiz auf sie aus. Da war es besser, beiseitezustehen und ihren Einfluss in den Sphären höfischer Intrige geltend zu machen. Das war bestimmt interessanter. Die Welt mochte zwar groß sein, doch der Ausschnitt, mit dem sie sich befasste, war kleiner, und in dieser kleineren Welt hatten nur wenige Menschen mehr Grund als sie, voller Zuversicht in die Zukunft zu blicken.
    Denn sie hütete ein Geheimnis, das keiner von denen, die ihr nahestanden, hätte erraten können. Wenngleich von Natur aus ein gutmütiger Mensch mit einem Hang zu schönen Kleidern, Klatsch und romantischer Schwärmerei, trug sie ein Bewusstsein des Todes in sich. Der Tod war eine Wolke, die stets im Hintergrund lauerte und ihren Geist zu verdunkeln drohte, wenn sie größere Zusammenhänge ins Auge fasste. Als ihre Mutter starb, war sie zehn gewesen. Seitdem war sie sich des Fluchs der Sterblichkeit stets bewusst. Aleera Akaran war verschieden, als der Frühling ihres Lebens gerade dem Sommer Platz gemacht hatte. Sie war von einer Krankheit verzehrt worden, die mit Rückenschmerzen begann und sich zu einem unersättlichen Blutegel entwickelte, der ihr die Lebenskräfte aussaugte.
    Corinn erinnerte sich noch in schmerzhafter Deutlichkeit an die letzten Momente, die sie mit ihrer Mutter verbracht hatte. Im Traum saß sie häufig auf dem Krankenbett und hielt ihre bleichen, knochigen Hände. Die Krankheit hatte sie dermaßen ausgezehrt, dass Corinn den Eindruck hatte, sie sei zur Hälfte in die Matratze eingesunken. Wegen des warmen Wetters hatte sie häufig ohne Decke dagelegen, und die nackten Beine hatten unter ihrem Kleid hervorgeschaut. Die Füße und Zehen hatten unverhältnismäßig groß gewirkt,

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