Accra: Roman (German Edition)
zu Gamel, legte eine Hand in den öligen Nacken des Mannes und den Daumen auf seinen Kehlkopf.
»Sollten Sie den Jungen schlagen, werde ich es erfahren, und dann wird es Ihnen leidtun. Klar?«
Gamel nickte verkrampft. »Ja, Sir.«
Für einen Moment ließ Dawson seine Hand noch, wo sie war, ehe er den Mann wieder freigab. »Gut.«
Dawson eilte über das vermüllte Ödland zurück zum Tatort. Bright und seine Männer schoben die Leiche auf ein Brett, an dem ein langes Seil befestigt war. Dann kletterten sie ans Ufer und zogen das Brett auf Brights Kommando – »Eins, zwei, drei, ziehen !« – aus dem Schlamm.
Dawson und die anderen standen da und blickten auf den Toten. Fäulnisgase blähten den Körper scheußlich auf, der überall mit schimmerndem Lagunenschleim bedeckt war. Das Gesicht war auf das Dreifache angeschwollen, Brust und Bauch ballonrund. Es stank überwältigend, und würgend kämpfte Dawson gegen seine Übelkeit an.
Er biss die Zähne zusammen und hockte sich hin, fest entschlossen, sich nicht zu übergeben. Die Leiche trug keine Schuhe. Die Kleidung, ein T-Shirt und lange Shorts, wie bei den Jungen in Accra üblich, war geschwärzt und schmutzig. Nichts Ungewöhnliches zu entdecken. Es war schwer zu sagen, wie alt der Bursche sein mochte, und bisher konnte Dawson nicht erkennen, was genau ihn umgebracht hatte.
Dawson richtete sich wieder auf. Ihm war immer noch übel, als er Bright fragte: »Sonst noch irgendwas, Sir?«
Bright schüttelte den Kopf. »Wenn Sie dann fertig sind, bringen wir ihn in unsere Leichenhalle.«
3
Es war Nachmittag, als Dawson nach Hause fuhr. In Agbogbloshie herumzufragen hatte rein gar nichts gebracht. Falls jemand gesehen hatte, wie der Tote abgelegt worden war, verriet er es nicht.
Dawson bog in die leicht bergan führende Nim Tree Avenue. Die Straße mit den Gräben rechts und links, die glücklicherweise leer waren, verlief von Osten nach Westen. Also fuhr Darko um diese Tageszeit der Sonne entgegen. Der Himmel strahlte klar und blassblau und wurde zum Horizont hin beinahe weiß, sodass alles wie hell erleuchtet wirkte.
Die Nummer zehn, Dawsons Zuhause, war cremeweiß gestrichen mit olivgrünen Akzenten. Der Mangobaum auf der einen Seite des Vorgartens hatte gerade die ersten kleinen Früchte bekommen. Es war ein winziges Haus, doch immer noch millionenmal besser als die erbärmlichen GPS-Kasernen, in denen sich selbst ein Chief Inspector höchstens ein Einzelzimmer leisten konnte. Polizisten waren keine reichen Leute, und Detectives vermutlich die schlechtbezahltesten. Dawson und Christine konnten sich Nummer zehn nur leisten, weil ihr Vermieter ein entfernter Verwandter von Christine war. Die Miete, die sie ihm zahlten, lag weit unter dem Marktüblichen, was ihr Verwandter mit den Einnahmen aus anderen Immobilien wieder ausglich. Ganz wohl war Dawson nicht dabei, denn Familie und Geld konnten eine brenzlige Mischung sein.
Trotzdem empfand er jedes Mal, wenn er nach Hause kam, eine tiefe Dankbarkeit. Das kleine Haus war ein Zufluchtsort,der sie vor dem Verbrechen schützte, mit dem Dawson täglich zu tun hatte. Und eine kleine Festung, hatte Dawson doch alles einbruchsicher gemacht.
Christines roter Opel, der so klein war, dass Dawson vermutete, er könnte ihn hochheben und unterm Arm herumtragen, stand vor dem Haus. Sie und Hosiah waren also schon von ihrem sonntäglichen Besuch bei Christines Mutter nach Kirche und Sonntagsschule zurück.
»Ich bin wieder da!«, rief er, als er durch die Küchentür von hinten ins Haus kam.
»Hi, Dark.«
Christine saß im Wohnzimmer auf dem Sofa und las Zeitung.
»Hi, Süße.« Er küsste sie auf die Stirn.
»Schlimmer Fall?«
»Schrecklich. Ein Leiche in der Korle-Lagune.«
Christine verzog das Gesicht, was bei ihrer glatten Haut nur zu einem zarten Kräuseln führte.
»Es gibt eine Sache, bei der ich Hilfe brauche.« Dawson setzte sich zu ihr. Doch ehe er weiterreden konnte, kam Hosiah angeflitzt und warf sich in Dawsons Schoß.
»Hi, Daddy!«
»Hey, mein Großer!« Dawson setzte seinen Sohn gerade hin und umarmte ihn.
»Rate mal, was ich gebaut habe«, sagte Hosiah.
»Einen Sportwagen?«
»Falsch.«
»Einen Lastwagen?«
»Falsch.« Hosiah kicherte. »Komm mit, dann zeig ich’s dir. Aber zuerst musst du die Augen zumachen und darfst erst gucken, wenn ich es sage.«
An seiner Kinderzimmertür rief er: »Jetzt darfst du gucken!«
In der Mitte des kleinen Zimmers stand eines von Hosiahs zunehmend
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