Accra: Roman (German Edition)
dem Raum. Dawson folgte ihm. Er bog scharf nach rechts, denn er wusste, wohin Obi wollte: zur Tür mit dem Querriegel.
Als Dawson sie erreichte, stand sie weit offen und Obi war fort. Dawson stürmte nach draußen und schwang den Taschenlampenstrahl in einem weiten Bogen. Niemand . Er lief zur Vorderseite des Gebäudes, doch auch dort gab es nirgends eine Spur von Obi. Wo war er hin?
Dann begriff Dawson. Der Überlaufkanal. Dawson rannte zu ihm und leuchtete in den künstlichen Graben. Nichts. Und dann sah er den Mann. Obi schwamm auf die andere Seite. Sein Kopf tauchte für eine Sekunde auf und gleich wieder für längere Zeit unter. Offenbar war er ein guter Schwimmer und konnte lange die Luft anhalten. Ihm nachzuschwimmen war keine gute Idee, also rannte Dawson zurück zu seinem Wagen. Wenn er zum anderen Ufer fuhr, konnte er Obi bei dessen Ankunft abfangen.
Aber der Zündschlüssel war weg.
Dawson sprang wieder aus dem Wagen. In seinem Gehirn schrillten Alarmglocken, während er seine Hosentaschen durchwühlte.
Was hast du mit dem Schlüssel gemacht?
Mist! Das Loch in der Mauer. Er stürmte zurück zur Fabrik. Tatsächlich lag sein Schlüssel im Gebäude an der Stelle, an der er hindurchgekrochen war. Dawson duckte sich halb durch die Öffnung und angelte den Schlüssel heraus.
Aber er hatte zu viel Zeit verloren. Er leuchtete wieder über den Kanal und sah, dass Obi auf der anderen Seite aus dem Wasser stieg. Er war ihm entwischt. Vor lauter Wut und Enttäuschung schrie Dawson auf. Dann aber richtete Obi sich auf, und plötzlich wurde er von grellen Scheinwerfern angestrahlt. Er hob die Arme und sank langsam auf die Knie.
»Alles klar!«, rief Chikata von drüben. »Wir haben ihn.«
53
»Wie geht es Ihnen, Obi?«
»Gut, Sir«, antwortete er, als Dawson und Chikata ihm gegenüber Platz nahmen. Diesmal waren sie im einzigen offiziellen Verhörraum des CID, denn Obis Festnahme hatte einen Status von »nationaler Bedeutung« erlangt.
Dawson sah den Mann eine Weile lang stumm an. »Was fühlen Sie gerade?«
Obi schien erstaunt. »Ich bin ein bisschen hungrig.«
Dawson schnaubte. »Verstehe. Erinnern Sie sich an Akosua, das Mädchen von gestern Abend?«
»Akosua? Zu mir hat sie gesagt, dass sie Jasmine heißt.«
»Dann eben Jasmine. Was hatten Sie mit ihr vor?«
»Zuerst wollte ich sie mit dem heißen Grillrost brandmarken. Und ihr danach mein Messer in den Rücken stoßen. Nur ein Stich, Sir. Immer nur ein Stich.«
»Warum ist das so wichtig?«
»Weil alles sauber sein muss. Haben Sie je irgendwas im Haus vom Doctor gesehen, das basabasa aussah? Nie. Was ich mache, mache ich sauber und ordentlich.«
»Aber Sie haben nie das Blut am Tatort aufgewischt.«
Obi runzelte die Stirn. »Blut ist reinigend, Inspector Dawson. Es ist nicht schmutzig, sondern rein.«
»Was empfinden Sie, wenn Sie töten?«
»Freude.«
»Wie die Freude über den Herrn?«
»Ja, er leitet mich in allen Dingen.«
»Sprach er zu Ihnen und sagte, dass Sie Jasmine töten sollen?«
»Ja.«
»Und er befahl Ihnen auch, Musa Zakari zu töten?«
»Ja, Sir.«
»Und Ebenezer Sarpong.«
»Ja, Sir.«
»Comfort Mahama.«
»Ja, Sir. Sie auch.«
»Was glauben Sie, warum Gott will, dass Sie Menschen töten?«
»Nicht Menschen, Inspector. Bestimmte Menschen.«
»Straßenkinder.«
» Bestimmte Straßenkinder.«
»Jugendliche?«
»Jugendliche Straßenkinder sind eine Heimsuchung des Satans und bringen die Pest über uns.«
»Warum sie und nicht die jüngeren?«
»Die Kleinen kommen in Unschuld. Sie haben eine Chance, in ihre Dörfer zurückzugehen, wo sie hingehören. Diejenigen, die zurückgehen, bekommen Gottes Segen.« Obis Miene verdunkelte sich. »Aber die, die bleiben, haben einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, Schlechtes zu tun. Unzucht und Hurerei, Lug, Betrug und Diebstahl. Das Schlimmste ist, wenn sie erwachsen werden. Dann paaren sie sich, zeugen Nachkommen. Und manche von diesen Nachkommen werden auch zu Huren, Betrügern und Dieben. Gucken Sie sich die Schande und den Dreck an, die sie uns bringen. Gucken Sie sich die Geschlechtskrankheiten an. Waren Sie nicht beim CMB und in Agbogbloshie? Wie die Tiere machen diese Leute hin, wo sie wollen. Sie sind schmutzig. Keiner will die Stadt reinigen, also muss ich es tun. Sie verdrängen uns von unseren Straßen.«
»Aber der Doctor, den Sie so sehr bewundern, scheint nicht Ihrer Meinung zu sein«, sagte Dawson. »Er kümmert sich um sie, nicht wahr?«
»Der Doctor ist
Weitere Kostenlose Bücher