Ach, Harmonistan: Deutsche Zustände (German Edition)
Zielscheibe von Terroristen« macht.
Derselbe Gedanke (»Wir sind, wenn wir uns nirgends militärisch engagieren, kein Ziel mehr für den Terrorismus«) findet sich in dem offenen Brief, den Martin Walser an die Bundeskanzlerin geschrieben hat. Nun kann man Walser wahrlich nicht vorwerfen, dass er es sich im Allgemeinen zu leicht machte – um so unbegreiflicher, wie dieses sonst tief in sich selbst bohrende Urgestein der naiven Hoffnung verfallen kann, der zuverlässigste Weg, sich aus der Schusslinie zu bringen, liege darin, die Waffen zu strecken. Natürlich ist es höchst respektabel, wenn Walser glaubt, dass »Kriege unter gar keinen Umständen zu rechtfertigen« seien. Aber dann muss er so wie Sokrates, Jesus, Hamlet, die Amish auch das »Nichtsein« als Preis für diese höchst respektable Haltung in Kauf nehmen. Pazifismus, der darauf schielt, die eigenen Schäfchen ins Trockene zu bringen, ist ein moralischer Taschenspielertrick.
Eben diese Inkonsequenz ist es, die mir den aktuellen Pazifismus so schwer erträglich macht: Zwar hält man den Westen en gros für eine so fragwürdige Kultur, dass man ihm pauschal das Recht abspricht, sich auch mit Gewalt gegen die zu verteidigen, die ihn ihrerseits mit äußerster Skrupellosigkeit attackieren. En detail möchte man in Berlin, Köln oder am Bodensee seinen Rotwein aber auch weiterhin in Ruhe genießen können.
Und ich frage mich, wieso der aktuelle Pazifismus nicht ohne seinen Schatten »Anti-Amerikanismus« auftreten kann. So bezeichnet etwa Precht in seinem Essay den American Way of Life als »die erfolgreichste Massenvernichtungswaffe des 20. Jahrhunderts«. Darf man daraus schließen, dass Herr Precht lieber in einem System aufgewachsen wäre, das dem milden Reich des Sowjethumanismus angehörte?
»Freedom isn’t free.« Dieser Satz, der sich auf Deutsch nur etwas umständlich übersetzen lässt als »Freiheit ist nicht kostenlos zu haben«, macht den Kern des US-amerikanischen Selbstverständnisses aus. Wir Deutschen dagegen scheinen immer noch zu glauben, dass die Freiheit, die uns die Amerikaner nach 1945 beschert haben, ebenso kostenlos war wie die Kaugummis, die sie an die deutschen Jungs und Mädel verteilt haben – und die ihnen manch intellektueller Zeitgenosse heute noch vorwirft.
Ein bisschen Frieden, ein bisschen Sonne, ein bisschen Liebe – das war die Haltung, in der es sich Deutschland nach seinem barbarischen »Und-morgen-die-ganze-Welt«-Geschrei gemütlich gemacht hatte. Es könnte an der Zeit sein, die Kinderdisco zu verlassen.
In ihrer jüngsten Regierungserklärung zum Afghanistaneinsatz hat die Bundeskanzlerin darauf hingewiesen, dass »die Folgen von Nichthandeln« uns »genauso zugerechnet« werden, »wie die Folgen von Handeln.« Damit formuliert sie das moralische Dilemma, in dem wir stecken, und beweist ein größeres Gespür für die Tragik der Zeit als unsere Intellektuellen.
Wann hat man sich im Kampf für ein gerechtes Ziel die Hände so schmutzig gemacht, dass man seine moralische Überlegenheit verspielt hat? Wie geht man mit der Schuld um, die man im Krieg zwangsläufig auf sich lädt? Die Diskussion darüber darf nicht den Militärstrategen mit ihrem Unwort vom »Kollateralschaden« überlassen werden.
Was heißt es, die Idee der Freiheit und der Menschenrechte in einer Welt zu verteidigen, in der die Globalisierung – die wir selbst initiiert haben – uns nun zwingt, mit archaischen Stammesgesellschaften zurechtzukommen? An wie vielen Brandstellen der Welt gleichzeitig kann der Westen sich und das, wofür er steht, verteidigen?
Was bedeutet »Krieg« für Generationen, die einen solchen nie am eigenen Leib erfahren haben und also leichtfertig dem Irrtum aufsitzen könnten, es handele sich um ein verschärftes Rollenspiel?
Und wie gehen wir als Öffentlichkeit mit getöteten deutschen Soldaten um? Ein apartes Denkmal am Rande des Verteidigungsministeriums wird nicht genügen.
Es ist unredlich, sich diese quälenden Fragen von der Seele zu halten, indem man sich hinter einem Vulgärpazifismus verschanzt, den im eigenen Leben durchzuhalten man keinen Moment bereit wäre.
Mutter Vader
Angela Merkel will zum zweiten Mal Kanzlerin werden Thea Dorn weiß nicht, warum sie die CDU wählen soll. .
In den 80ern durfte ich noch nicht wählen. Hätte ich wählen dürfen, hätte ich alles gewählt. Nur nicht die CDU. Warum? Weil man das als junger, sich fortschrittlich fühlender Mensch einfach nicht tat. CDU
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