Ach so!
schillernden Subkontinent übersehen ...
Vor einigen Jahren stieß ich auf etwas
ausgesprochen Skurriles: Hopi-Ohrkerzen 48 . Diese gehen angeblich auf die uralte Tradition der Hopi-Indianer zurück,
so jedenfalls wird damit geworben. Diese Gruppe der Pueblo-Indianer bewohnte einst
die rötlichen Plateaus im Gebiet des Grand Canyon. Als friedliche Bauern führten sie
ein unbeschwertes Leben im Einklang mit Geistern und Göttern, bis sie im 16.
Jahrhundert von den Spaniern missioniert und massakriert wurden. Erst Jahrhunderte
nach diesem Massenmord begannen sich die Urenkel der einstigen Täter für die Kultur
der Ausgelöschten zu interessieren.
Die Hopi-Kultur, so wird behauptet, sei ein Füllhorn
heilender Rituale und zeitloser Weisheiten. Bei den Hopi-Kerzen hatte ich jedoch
meine Probleme: Es handelt sich um etwa 30Zentimeter lange Kerzen
aus Bienenwachs, Johanniskraut, Kamille und weiteren Ingredienzien, die man seitlich
liegend ins Ohr steckt und anzündet! Durch die brennende Kerze entsteht angeblich
ein Kamineffekt, der das Ohr entlastet und gegen Kopfschmerzen und
Durchblutungsstörungen helfen soll.
Die heilenden Hopi-Kerzen grenzen offenbar an ein Wunder,
denn meine Recherchen ergaben, dass zumindest die medizinische Wirkung nachweislich
umstritten ist. Sich brennende Kerzen in die Ohren zu stecken erschien mir so
absurd, dass ich dem Stamm der Hopi-Indianer einen längeren Brief schrieb und mich
nach diesem sonderbaren Brauch erkundigte. Ein paar Tage später erhielt ich eine
ausführliche Antwort vom »Vice-President« der Hopi-Indianer. Dieser stellvertretende
Häuptling klärte mich darüber auf, dass es in keiner Phase der Stammesgeschichte
eine Ohrkerzen-Tradition in seiner Kultur gegeben habe. Die Wunderkerze sei bloß ein
Konstrukt westlicher Geschäftemacher, da habe man sich etwas zusammengesponnen, das
in aller Klarheit nicht das Geringste mit der Tradition seines Stammes zu tun habe.
Er bedankte sich in seinem Schreiben mit der Bitte, man möge sein ohnehin so
geschundenes Volk von derartigem Hokuspokus fernhalten. Fest steht also: Hopi-Kerzen
sind Humbug, doch warum geistern solche Konstruktionen durch unseren aufgeklärten
Alltag?
Die Namen alter Kulturen haben sich offensichtlich zu
Projektionsflächen unserer Hoffnungen entwickelt. Hopi, Ayurveda, Zen ... Ein ganzes
Arsenal wirkungsloser Diäten, Körperübungen und Entspannungstherapien wird schamlos
mit dem Verweis auf uralte Traditionen an den Mann und an die Frau gebracht.
Essenzen, Salben, Öle und allerlei Duftstäbchen werden mit wohlklingenden exotischen
Namen für exorbitante Preise angeboten und mit frei erfundenenGebrauchsanweisungen versehen. Ein »Yogeshwar-Öl« fördert genauso wenig die
Ausgeglichenheit der Seele wie »Hopi-Kerzen« es tun. Würde jemand Ihnen 200 Gramm
ausgelassene Butter im Glas für 24 Euro verkaufen, würden Sie nicht lange zögern und
ihn als Wucherer und Abzocker verschmähen, doch beim Wohlklang von »Ashwagandha
Ghee«, was in der Tat nichts anderes als ausgelassene Butter ist, sind unsere
kritischen Sinne wie gelähmt.
Vielleicht verbirgt sich ja dahinter ein kollektives
Schuldgefühl. Wir wollen anders sein als unsere ignoranten Urgroßväter, die vor
Jahrhunderten andere Kulturen ausbeuteten und versklavten. Statt die Tempel zu
achten und den Gesängen der Eingeborenen zu lauschen, pflanzten sie hemmungslos
Bananen und Tee an und durchpflügten die heiligen Böden nach verwertbaren
Rohstoffen. Der Boom exotischer Heilslehren ist womöglich eine unbewusste
Wiedergutmachung historischer Fehler. Vielleicht tauchen so allmählich die
verschreckten Geister vergangener Kolonien wieder auf im Duft von Rosenwasser,
Sandelholz und heilenden Ölen. Atmen Sie tief ein – ohne Angst.
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Wohin führt die digitale Durchsichtigkeit?
93 »Big Brother is watching you!« Als George Orwell im vergangenen Jahrhundert seine Vision eines Überwachungsstaates zeichnete, war der Verlust der Privatsphäre gleichbedeutend mit dem Ende von Freiheit und Demokratie. Die totale Kontrolle des Bürgers, die lückenlose Protokollierung seiner Aktivitäten oder das Aufzeichnen seiner Gespräche gelten heute als Instrumente von Diktaturen und Überwachungsstaaten. Im Gegensatz zu totalitären Regimes gestehen Demokratien den Menschen Freiräume zu und vertrauen bewusst auf blinde Flecken.
Als angehender Journalist erlebte ich, wie
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