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Ach, wär ich nur zu Hause geblieben - Band 2

Ach, wär ich nur zu Hause geblieben - Band 2

Titel: Ach, wär ich nur zu Hause geblieben - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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müssen?
    »Das ist aber wirklich zu komisch, das muss ich meiner Silke erzählen«, sagte Frau Schachtmann. »Sie wird im Juni übrigens ihren Architekten heiraten. Ganz in Weiß. Hast du eigentlich zugenommen?«
    Nach Paris habe ich mit Bono Schluss gemacht, wir waren einfach zu unterschiedlich. Ich habe ihn aber vor fünf Jahren noch einmal wiedergetroffen: in Alexandria, wo er gerade verzweifelt nach der berühmten Bibliothek Ausschau hielt.
    Auch Frau Schachtmann habe ich noch zweimal getroffen, einmal in einem Supermarkt in Olbia auf Sardinien und das andere Mal auf der Aussichtsterrasse der Lutzner-Hütte im Kleinwalsertal. Aber da ich beide Male eine Liza-Minelli-Perücke sowie eine Augenklappe trug, erkannte sie mich nicht.

Eine Kiste voller Erinnerungen
oder früher war alles besser
    Meine Mutter hat es ihr Leben lang versäumt, Fotoalben mit Urlaubsbildern anzulegen, es gibt nur eine Kiste mit allerlei Bildern, Postkarten und anderen Andenken, die wir ab und zu hervorholen, um in Erinnerungen zu schwelgen. Dummerweise weiß keiner mehr so genau, in welchem Jahr wir denn nun Stonehenge besichtigt haben, wer die dicke Frau ist, die meine Schwester auf einem Pony spazieren führt, und wie der Mann heißt, der meiner Mutter den Arm um die braungebrannten Schultern legt und dabei so dreist in die Kamera grinst. Jedenfalls tut meine Mutter so, als ob sie es nicht mehr wisse, ich weiß nicht so recht, ob ich ihr das auch glauben soll. Beim nächsten Bild nämlich funktioniert ihr Gedächtnis hervorragend. Es zeigt meine Schwester und mich recht mürrisch dreinblickend mit seltsamen orangefarbenen Streifen in den Gesichtern. Zwischen uns strahlt unsere Cousine Helena mit makellos gebräuntem Teint in die Kamera.
    »War das an Karneval?«, frage ich.
    »Nein«, sagt meine Mutter und lacht. »Das war, als deine Schwester dir und sich Möhrensaft ins Gesicht geschmiert hat, damit ihr auch so schön braun werdet wie Helena und nicht immer nur Sommersprossen bekommt. Das Kindhatte aber auch so einen wunderschönen Braunton, da konnte man wirklich neidisch werden.«
    »Dafür hat sie heute viel mehr Falten als wir«, sagt meine Schwester, und ich nicke. Wenn es um Helena geht, sind wir uns immer einig.
    Sehr viele aussagekräftige Fotos von unseren Urlauben gibt es leider nicht. Vor allem mein Vater hat häufig vergessen, die Kappe vom Objektiv zu nehmen. Meine Mutter hat gern die ganze Landschaft mit aufs Bild genommen, sodass man oft nur ahnen kann, um wen es sich bei den winzig kleinen Gestalten vor dem gewaltigen Bergpanorama handelt. Und meine Schwester und ich haben in einem gewissen Alter die Neigung gehabt, alle Bilder zu vernichten, auf denen wir uns hässlich fanden, und das waren nicht wenige. Deshalb sind wir auf unsere Erinnerungen angewiesen, und die gehen teilweise sehr weit auseinander.
    In der Kiste finden sich aber auch Postkarten und Briefe als Zeitzeugnisse.
    Liebe Oma, hier ist es so heiß, dass der Sand die Hornhaut von den Füßen schmilzt, sogar die von Papa ist schon weg. Er läuft immer ganz schnell. Wir kriegen jeden Tag Orangscheneis, weil es so billig ist. Wir wohnen im siebten Stock von eim Hochhaus. Kerstin hat heute meinen neuen Ball vom Balkon in einen Kaktus geworfen. Jetzt ist er kaputt und der Kaktus auch. Gestern ist ein toter Wal an den Strand gespült worden, der stinkt.
    »Tss«, sagt meine Schwester, die diese Zeilen als Siebenjährige geschrieben hat. »Eine solche Postkarte wäre bei mir definitiv nicht durch die Zensur gekommen. Hochhaus! Stinkender Wal! Billiges Eis! Das kann man doch auch hübscher formulieren. Von unserem Bett aus können wir das Meer sehen, in dem Wale schwimmen, sogar ganz nah am Ufer. Und das köstliche Eis wird in ausgehöhlten ungespritzten Orangen serviert .«
    Meine Schwester ist nämlich – wie so viele Menschen – der Ansicht, dass Postkarten nur einem einzigen Zweck dienen: den Empfänger neidisch zu machen. Etwas, das Tante Karla, deren Postkarte wir als Nächstes aus der Kiste ziehen, trotz redlichen Bemühens nie so recht gelungen ist.
    Mon chérie Schwesterlein! Wir sind noch nicht in Spanien angekommen, aber auch Frankreich ist ein wundervolles Land! Die Automechaniker hier in D., einem kleinen Ort mit toller Autobahnanbindung und einem formidablen Bäcker sind äußerst charmant, und so macht es gar nichts, dass es noch ein paar Tage dauern wird, bis die Ersatzteile aus Lyon geliefert werden. Wir übernachten auf Luftmatratzen bei der

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