Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer
leichtfüÃiger Kapitän der FuÃballschulmannschaft.
»Mann, Achim«, presste Heike, die ehemalige Volleyballerin, zwischen ihren feisten Hamsterbacken hervor, »du siehst aber gut aus.« Ich hatte lange überlegt, ob ich das »Born to run«-Sweatshirt wirklich anziehen sollte. Es war die richtige Entscheidung gewesen. Es betonte meinen flachen Bauch, die starken Schultern, die zierlichen Hüften. Das leichte Humpeln wegen der dämlichen Patellasehne erwies sich als imageförderndes Handicap.
Im Laufe des Abends absolvierte ich wohl 200-mal den gleichen Dialog: »Wie schaffst du das, so schlank zu bleiben?«, fragten die alten Schulkameraden. Und ich antwortete immer lässig: »Ich laufe ganz gern.« Sie wollten alles wissen: Wie oft? Wie lange? Wie angefangen? Ziele? »Marathon«, sagte ich, betont beiläufig. »Und hin und wieder Triathlon.« »Marathon«, erwiderten sie dann leise, »Triathlon«, wisperten sie ehrfürchtig. Es war das Klassentreffen meines Lebens. Schade, dass Mona nicht dabei war.
Drei Tage später kam eine Mail, von Katharina. Sie hatte das Klassentreffen in stiller Bewunderung in meiner Nähe verbracht. Es reichte ihr offenbar, einfach nur meinen Duft in der Nase zu tragen, den Duft ungezähmten männlichen Leistungsvermögens. Sie hatte in alten Westfalen-Adel eingeheiratet, was Versorgungssicherheit, aber eben auch lebenslängliche Langeweile bedeutete. »Ich brauche deine Hilfe, lieber Achim«, schrieb sie, »ich will jetzt auch anfangen zu laufen.«
Sie wollte alles wissen: Welche Schuhe, welche Strecke, welches Tempo, welcher Puls? Wir telefonierten ausgiebig. Katharina hatte diesen wunderbar weiblichen Tonfall, in dem sich Respekt,
Neugier und haltlose Bewunderung mischten. »Was«, fragte sie ungläubig, »du bist heute 15 Kilometer gelaufen? Das würde ich nie im Leben schaffen.« Mona hatte so was noch nie zu mir gesagt. Ich räusperte mich. »Das ist doch gar kein Problem. Reine Ãbungssache. Das schaffst du auch, verspreche ich dir. Wir können auch gern mal zusammen laufen.«
Meine Stimme klang warm, sonor, souverän, ungefähr so als ob Clint Eastwood »Baby« sagt. »Ach, Achim«, flüsterte Katharina, »es tut so gut, mit dir über das Laufen zu reden.« Als sie zum dritten Mal bei uns angerufen hatte, hielt es Mona nicht mehr. »Was will die Schlampe von dir?«, brüllte sie. Ich entgegnete ruhig: »Sie interessiert sich für meinen Sport. Wir führen Fachgespräche.« Mona schwieg. Es ist ein gutes Gefühl, als kompetenter, gleichwohl warmherziger Ratgeber gefragt zu sein.
Marathonis sind bessere Menschen
Wirtschaftsbosse tun es, Politiker tun es, Prominente tun es auch: Marathon, ultimativer Nachweis von Leistungskraft und Willen in unserer Turbo-Gesellschaft. Ist es von Vorteil für Beruf und Karriere, wenn man sich als Marathon-Freak outet? Der SPIEGEL hat nachgefragt. Ergebnis: Kann man so nicht sagen. Zwar gelten Langläufer grundsätzlich als leistungsbereit, zielstrebig und ausdauernd. Andererseits werden die Dauertraber schnell als einsame Wölfe angesehen, egomanisch und verbissen. Die beste Formel fand der Kölner Personalberater Ulrich Schuhmann: »Wer unter drei Stunden braucht, ist ein Eigenbrötler, wer um die vier Stunden braucht, führt ein normales Leben, der ist okay.« Die tröstlichste Nachricht des Jahres.
Alles über marathonlaufende Promis und Bestzeiten gibtâs auf www.achim-achilles.de
Laut René Descartes ist Zweifel der Beginn der Weisheit. Beim Läufer können Zweifel den Anfang vom Ende bedeuten. Hunger, Schmerzen, Trainingsqual â beim Runners down hilft das Internet. Da finden sich Menschen, denen es noch schlechter geht.
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Mein Knie tut weh. Ich bin ein fettes Schwein. Ich hasse mich. Vor allem hasse ich Läufer. Und am meisten hasse ich erwachsene Männer, die in Strumpfhosen durch die Stadt laufen. Strumpfhosen bleiben Strumpfhosen, auch wenn »Running« draufsteht. Das schwule Pärchen aus dem dritten Stock guckt schon ganz neugierig. Ich will mich besaufen. Ich habe keine Ahnung, ob die verdammte Patellasehne nun gereizt ist oder nicht. Ich habe auch gar keine Lust, es auszuprobieren. Grillteller, Nutella, Patella â mir doch egal. Ich habe grausamen Hunger. Ich nehme nicht ab vom Laufen, ich nehme zu.
Ich werde immer langsamer. Ich bin
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