Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer
rennen, der schafft ein Problem. Das Laufhemd
mit dem gut gemeinten Klimaschutz-Appell hilft nur dem Gewissen des Marathon-Jetsetters.
Ein laufendes Klimaproblem ist mithin jener Sportskamerad, der viermal die Woche mit dem Auto in den Wald fährt, um für den New-York-Marathon zu trainieren, und seinen EiweiÃbedarf ausschlieÃlich mit Steaks deckt. Vor allem wegen der Furzfreude der Rindviecher lassen Fleischfans jährlich zwei bis drei Tonnen Kohlendioxid in die Welt, bis zu zehnmal mehr als Vegetarier, die nur Möhren aus der Region knabbern. Nur wer dann noch mit dem Rad zum Training fährt und mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Wettlauf, der darf ein Greenpeace-Leibchen tragen.
Das Schönste am Klimaschutz ist, dass er eine prima Ausrede bietet, um anstrengende Wettbewerbe zu schwänzen. Fragt der Klemmbrett-Trainer also aufreizend freundlich, warum ich den Halbmarathon nicht gelaufen bin, sage ich nicht die Wahrheit (»keine Lust zum Training«), sondern einfach: »Nee du, im Prinzip total gern. Aber das war mir von der Klimabilanz her echt zu schädlich.« Ein Argument wie eine Läufersocke nach dem Marathon  â da fällt einem nichts mehr ein.
Stattdessen bin ich am Sonntag mit der S-Bahn zum Wannsee gefahren und dann mit dem Rad weiter zur Glienicker Brücke, zum Start vom Drittelmarathon, was nur eine gute Stunde Kohlendioxid-Produktion bedeutet. Da können die Sportskameraden noch so mit ihren Bestzeiten angeben â ökologisch bin ich uneinholbar weit vorn.
Atmung
Die Atmung ist ein völlig überschätztes Thema. Seit Menschengedenken gilt: Erst ein- dann ausatmen. Der Rhythmus der Atmung passt sich in der Regel automatisch der Belastungskurve an. Ob Dreier- oder Vierertakt, nur durch den Mund oder nur durch die Nase â starre Vorgaben führen eher zu Rhythmusstörungen, als dass sie einen sinnvollen Effekt erzielen. Generell gilt: Weniger denken, einfach atmen.
Sie sind die Pest. Nein, schlimmer: das Böse. Sie nennen sich Nordic Walker, dabei sind sie nur FuÃvolk, aufgepeppte Spaziergänger. Schon dieses Outfit â ein Design-GAU. Inzwischen sind sie überall. Der Waldweg wird zur Kampfzone.
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Man hört sie schon von Weitem am Schrappen ihrer Stöcke. Sie sind gefährlich, gemein und rücksichtslos. Sie werden immer bedrohlicher, ich verachte sie zutiefst: Walker. Wenn sie zu dritt nebeneinander auf dem Waldweg ihre albernen Aluminiumrohre finnischer Herkunft hinter sich herziehen, muss ich beim Ãberholen aufpassen, dass ich nicht über einen ihrer Prügel stolpere und mir alle Knochen breche.
Kommen sie mir entgegen, gucken sie so entschlossen und selbstgewiss durch ihre 200 Euro teure Colorverglasung, dass mir angst und bange wird. Wir sind die Guten, die Gesunden, sagen ihre stolzen Blicke, wir strapazieren unsere Gelenke nicht, wir gehen sanft und rücksichtsvoll mit unserem Körper um, wir sind keine brachialen Brechmänner, die mit 40 Jahren immer noch so tun, als seien sie testosterongeladene Jungbullen.
Am Anfang habe ich versucht, sie mit einem höhnischen Grinsen zu verunsichern. Sie wussten genau, was ich meine: Ja, ich lache über euch, eure albernen Stöckchen, die peinlich-bunten Karnevalsklamotten, eure klumpfüÃigen Schuhe, aber vor allem verachte
ich euch für eure gigantischen Trinkfässer, die ihr umgeschnallt habt: 200 Kalorien pro Stunde vernichten, aber 500 zu sich nehmen â so verliert man kein Gramm, sondern päppelt unterernährte Säuglinge auf, liebe Walktonnen.
Jetzt mal unter uns und ehrlich: Ihr seid doch nur Walker geworden, weil ihr zu schlapp seid zum richtigen Laufen. Walking verhält sich zu Sport wie Peepshow zu echtem Treiben. Ihr tut nur so, alles gespielt.
Liebe Walker, lasst euch doch nicht von der Sportartikel-Industrie veräppeln, die euch für teuer Geld irgendwelchen Spezialkram verkaufen will: 120 Euro für Schuhe, 150 für die Stöcke, noch mal 100 für Hemd und Hose, 20 für den Trinkflaschenhaltergurt, und mindestens 30 für die Dose Pulver, aus der ihr euer isotonisches Spurenelementgetränk anrührt, ohne das ihr eure übermenschlichen Belastungen nie durchstehen würdet.
Früher hieà das mal Spazierengehen, was ihr da macht. Mit einem Paar »Mephisto« und einer Windjacke wart ihr für zehn Jahre bestens ausgerüstet. Niemand hat Stöcke hinter sich
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