Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer
»Wenn du mal nur âne halbe Stunde machst, sagst du mir Bescheid.« Ich sage: »Ja, klar, ist mir aber eigentlich zu wenig.« â »Tschaui«, sagt Roland. Die Uhr zeigt 31 Minuten und 37 Sekunden. Eine Dreiviertelstunde Laufen wäre geschafft.
Wie lange laufen?
Ab wann darf der Läufer von einem wirklichen Training sprechen? Schult eine Viertelstunde Zockeln bereits die Ausdauer? Oder ist alles unter einer Stunde nutzlos? Die Antwort heiÃt wie immer: Kommt darauf an. Der Anfänger sollte darauf hinarbeiten, eine halbe Stunde durchgehend laufen zu können, was um die 4 Kilometer bedeutet. Alles darunter ist zu wenig, denn der Körper braucht schon eine knappe Viertelstunde vorsichtigen Trab, um auf Betriebstemperatur zu kommen. Für Fortgeschrittene gilt: Eine Stunde oder 8 bis 12 Kilometer sind eine ordentliche Ãbungseinheit. Wer mehr will als dreimal die Woche zum Erhalt von Fitness und Gewicht zu laufen, der sollte darauf achten, die Trainingseinheiten zu variieren. Grundsätzlich gilt: lang und langsam und kurz und schnell. Insofern kann eine Dreiviertelstunde mit Tempoläufen, die nur von kurzen Pausen unterbrochen sind, ein hartes Stück Arbeit bedeuten. Auf keinen Fall gilt die Faustregel: Wer die meisten Wochenstunden läuft, absolviert das beste Training. Dazu später mehr.
Schockierendes Geständnis: Achim Achilles unterscheidet Läufer in zwei Kategorien. Typ A ruht in sich und ist mit wenig zufrieden, Typ B kennt seinen Trainingsplan besser als die Ehefrau. Achims bittere Erkenntnis: Er ist Typ AB.
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Es gibt zwei Sorten von Läufern. Typ A wackelt seit Jahren auf der immer gleichen Strecke im immer gleichen Tempo, ohne viel Schwitzen, aber mit sehr viel Reden. Er, und vor allem sie, betrachtet Laufen als geselliges Kreislaufprogramm. Typ A verspürt keinerlei Ehrgeiz, schätzt aber frische Luft und das gute Gefühl, den Körper auÃerhalb geschlossener Räume zu spüren. Millionenfach bewegen sich A-Typen am Wochenende rudelweise in Deutschlands Grüngürteln. Beneidenswert. Diese Läufer ruhen in sich. Uhren tragen sie selten, Pulsmesser schon gar nicht. Zeit ist ihnen egal, Wettbewerb macht ihnen Angst. Selbst hochwertige kostenlose Trainingspläne ignorieren sie.
Typ B läuft exakt gegenteilig. Jeder Schritt wird protokolliert, jeder Atemzug analysiert und abgeglichen mit der gestrigen Leistung. Typ B schlüpft in die Laufschuhe, um sein Restleben zu kompensieren. Im Job, in der Partnerschaft, überall herrscht Stillstand. Nur auf der Zehn-Kilometer-Strecke ist noch Luft nach oben. Verbessert Typ B seine Bestzeit um fünf Sekunden, dann fühlt er sich tagelang wie ein Olympiasieger. Bleibt er allerdings
eine Zehntelsekunde darunter, ist die Laune auf Wochen ruiniert. Während Typ A sich zu fröhlicher Ambitionslosigkeit bekennt, ist Typ B zerfressen von Ehrgeiz. Jeden anderen Läufer betrachtet er als Feind.
Die schlimmsten allerdings sind die AB-Typen. Und zu genau so einem habe ich mich in fünf Jahren aufopferungsvoller Lauferei entwickelt. Nichts fühlte sich schöner an als eine gute Zeit, nichts erschien mir zugleich peinlicher, als Sekundenhunger zuzugeben. Ich trainierte nach Plänen, zumindest die Teile, die mir sinnvoll erschienen â kontrolliert wird ja eh nicht. Wellness-Laufen ist eine prima Idee, aber völlig realitätsfremd. Soll ich zusehen, wie Kuddel immer schneller wird, während mir die 1000 Meter immer länger vorkommen?
Andererseits: Sollte ich jeden Trainingsabend im Mommsenstadion den Laufkrieg gegen Kuddel anzetteln? Warum eigentlich nicht? Der AB-Läufer ist ein einziger permanenter Widerspruch und zerfrisst sich mit den Jahren von innen: »Zeiten sind mir völlig egal«, sagt der Hybrid, aber er meint: »Nichts ist mir wichtiger als ein Erfolg. Aber ich traue mich nicht, es zuzugeben. Ich könnte ja an meinen groÃen Zielen scheitern â und dann lachen alle über mich, vor allem die vielen anderen Bs.«
Es war im Frühjahr, als Klemmbrett-Karraà mal wieder mit mir schimpfte. »Entscheide dich endlich, was du willst«, grollte der Coach, »richtig laufen oder spielen.« Wir hatten diese Debatte in den vergangenen fünf Jahren praktisch wöchentlich. Und immer hatte ich mich entwunden. Diesmal sagte ich: »Na gut, diese Saison mal richtig â¦Â« Klemmbrett guckte: »Ernst?« Ich antwortete:
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