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Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer

Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer

Titel: Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
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war, fühlte sich plötzlich so pelzig an wie ein Pudelbein. Jeder Fuß zur Calzone aufgequollen. Hoffentlich lief kein Blut aus dem Schuh. Dänen würden kommen und La Ola machen.
    Irgendwann muss ich ins Ziel getaumelt sein, nach ungefähr 4:20 Stunden, immerhin unter den ersten 10 000. Ein Sanitäter kam auf mich zugestürzt und fragte, ob alles okay sei. Nein, zum Teufel, überhaupt nichts ist okay. Ich bin so gut wie tot. Mona stand hinterm Zielzaun und sah mich besorgt an: Dieses Wrack war einmal ihr knuddelweicher Mann gewesen. Irgendwer hängte mir eine Medaille um. Veräppeln kann ich mich selbst. Ich war zu schwach, ihn mit dem Bändsel zu erwürgen.
    Ich verfluchte den Marathon und jeden einzelnen dieser gut 18 000 Spinner. Das hatte mit Wohlbefinden nichts zu tun. Marathonläufer sind Selbstdarsteller, Autoerotiker, die sich daran aufgeilen, von Hamburger Hausfrauen bejubelt und in ihrer Firma am nächsten Tag bewundert zu werden. Marathon ist die bekloppteste Form der Onanie, viel zu lang und viel zu schmerzhaft. Mona hievte mich auf die Rückbank, wo ich bis Berlin durchröchelte. Seit diesem Tag hat Karl jedweden Respekt vor seinem Vater verloren. Das war mein erster und mein letzter Marathon, garantiert.
    Auch wenn mein kleines Marzipan-Mönchen als Krankenschwester eine Wucht ist, werde ich morgen versuchen, wieder am normalen Leben teilzunehmen. Ich werde eine Aufständischen-Gruppe gründen, die Marathon-Ade-Fraktion (MAF). Die notfalls mit Waffengewalt durchzusetzenden Forderungen: Nieder
mit der Marathon-Diktatur, keine Läufe mehr über 20 Kilometer, Isolationshaft für alle zellulitischen Weiber, die mich je überholt haben. Von der Kuppel des Reichstages werde ich getragene Laufsocken in den Plenarsaal werfen. Und dann? Werde ich Genussläufer. Wellness-Jogger. Zum ersten Mal will ich bei diesem Irrsinn auf Schaumsohlen so etwas verspüren wie – Spaß.

Mythos Marathon
    Es mag ja sein, dass es Leute gibt, die dem Lauf über 42 Kilometer irgendeinen Genussaspekt abgewinnen. Achilles kennt keinen. Es ist immer das Gleiche: Die ersten 25 bis 30 Kilometer rollt es gut, das letzte Viertel tut vor allem weh. Wer das nicht weiß, ist überrascht. Wer es öfter probiert, gewöhnt sich daran.
Muss Marathon also unbedingt sein im Leben eines Hobby-Läufers? Natürlich nicht. Aber toll ist es trotzdem. Marathon kann man sich eben nicht kaufen oder stellvertretend erleben. Jeder, der über diese Strecke kommen will, muss trainieren, ob Vorstand oder Tennislehrer. Vor dem Marathon sind alle gleich, er ist eine urdemokratische Angelegenheit. Notwendig ist er trotzdem nicht.

Die große Leere nach dem Marathon. Was tun mit der vielen freien Zeit? Einfach so loslaufen, ohne Plan, ohne Panik vor 42 Kilometern? Das geht nicht. Ohne Schiss kein Schritt zu viel. So funktioniert der Läufer manchmal.
    Â 
    Die Angst vorm Marathon hatte mich strukturiert: Jeder Bissen, jeder Atemzug, jede freie Sekunde, jede Vitaminpille, jeder Gedanke, alles drehte sich um die viereinhalb überflüssigsten Stunden meines Lebens. Es gab keine Zeit nach, immer nur die vor dem Laufen: Kaum hatte man die Schuhe abgestreift, die käsigen Socken abgepellt und einen Blick auf die schrumpeligen Zehen geworfen, da meldete sich auch schon der General namens schlechtes Gewissen: »Das war ja nicht so doll heute. Morgen musst du mehr trainieren, härter. Schneller sein. Dünner sein. Gestern hast du schon geschwänzt.«
    Und jetzt? Plötzlich liegt alles hinter dem Marathon. Vor mir ist nur ein großes schwarzes Loch. Und dieses Gefühl, jämmerlich versagt zu haben. Mehr als 260 Minuten – welch eine Schmach. Narbe, Stigma, Kainsmal. Ich hasste jede Sekunde, die über vier Stunden lag. Sekunden sollte man abschaffen. Und Minuten gleich mit. Diese kleinen Zeiteinheiten sind wie Steuerprüfer: Kaum sind sie da, verhält man sich hektisch und absonderlich.
    Schade, dass wir im Erdgeschoss wohnen. Der Sprung aus dem
Fenster könnte mich nur umbringen, wenn ich mit dem Ohr an einer von Monas Rosen hängen bleibe und sie mich daraufhin erschießt. Was sollte ich mit meinem Leben anfangen? Lesen? Aber Bücher ohne Trainingspläne interessieren mich nicht. Musik hören? Dexy’s Midnight Runners vielleicht. »Runaway« von Linkin Park? Oder Tom Petty: »Running down a dream«? Mona sagt, ich soll die

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