Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer
12-Gang, so gut wie neu. Eine Maschine, die mich in der Studentenzeit wie der Wind durch die Stadt getragen hatte. Aber wo waren die Reifen geblieben? Nur noch Krümel. Ich zerrte das gute Stück nach oben in den Hof. Ein paar neue Schlappen, ein Pfund Butter auf die Kette und schon geht er ab, der Achim.
Bei Tageslicht sah das Maschinchen allerdings etwas mitgenommen aus. Woher kam der Knick im Rahmen? Ich hatte wohl vergessen, wie ich 1986 leicht bedudelt in die Baustelle gebrettert war. Supi-Roland von oben kam vom samstäglichen WaschstraÃen-Besuch und meckerte sein albernes Werber-Lachen. »Achim,
du hast eine sensationelle Erfindung gemacht«, prustete er, »das Rad, das man nicht mehr abschlieÃen muss. Das will nämlich keiner klauen.«
»Dann leih mir doch deins«, entgegnete ich. Wie jeder Reklamefuzzi hatte Roland sich im einstigen Jan-Ullrich-Wahn ein Rennrad gekauft, seinen breiten Werberhintern aber höchstens dreimal über den Sattel lappen lassen. Zu anstrengend. Seither stand die Angeberkarre im Keller. »Aber nur geliehen«, sagte er. »Hast du nicht auch noch einen Neopren-Anzug?«, fragte ich. Roland hatte. Aus dem Jahr vorher. Als er auf dem Surfer-Trip war. Eine Trend-Schlampe im Haus ist Gold wert.
Am Nachmittag fuhr ich an die Krumme Lanke, Rolands Neo diskret in einer Sporttasche verpackt. Leider war ziemlicher Betrieb am Ufer. Also ab ins Unterholz, umziehen. Aber die elende Pelle war zu eng. Der ReiÃverschluss klemmte. Und ausgerechnet jetzt musste so ein dämlicher Schnüffelköter kommen. Herrchen pfiff das Vieh hektisch zu sich und gaffte. »Zum Schwimmen«, erklärte ich. Er glaubte mir kein Wort und hielt mich für einen Perversen. Ich watschelte ans Ufer. Die Kinder im Sand kreischten. Ich plumpste ins Wasser. Das letzte Mal war ich in der Schule mehr als 100 Meter geschwommen. Im Urlaub gehörte ich zu der Sorte der Schnell-aber-wenig-Krauler, die sich nach dem fünften Zug elegant auf den Rücken drehten und eine Fontäne in die Luft spien.
In Rolands Gummi war schon nach dem dritten Zug Ende. Ich konnte die Arme nicht bewegen. Das Ding war eine Zwangsjacke. Mit den Beinen paddelte ich die viereinhalb Meter zurück ans Ufer. Es war nicht viel, aber eine erste Bewegung in Richtung Hawaii. Es pochte wieder, das alte Kämpferherz.
Vom Marathon zum Triathlon
Wer sich länger als 40 Kilometer in gut vier Stunden fortbewegen kann, der schafft auch einen kleinen Triathlon. Im Sommer ist das Triple aus Schwimmen, Radfahren, Laufen eine willkommene Abwechslung. Der Rücken wird entlastet, Gelenke und Sehnen auÃerdem, der Trott des Dauerläufers wird durchbrochen. Provinz-Wettbewerbe, auf denen Anfänger meist willkommen sind, werden jedes Wochenende irgendwo angeboten, sind jedoch sehr schnell ausgebucht. Während Läufer mit dem Radfahren über 40 Kilometer keine gröÃeren Probleme haben dürfen, so stellt das Schwimmen den Hobby-Athleten doch vor neue Herausforderungen. Ein paarmal sollte man den kontinuierlichen Zug über 1 bis 1,5 Kilometer schon geübt haben.
Echte Triathleten kennen kein Pardon. Sie trainieren wie die Wilden. Frau und Kind? Egal, die stören nur. Damit die Lieben nicht rebellieren, sondern brav spuren, hilft manchmal eine geniale Finte.
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Ich hatte Karl und Mona einen Ausflug versprochen, am Wochenende. Vom Briesensee hatte ich geschwärmt, seinen feinsandigen Gestaden, dem romantischen Café, der Ruhe dort im Spreewald kurz vor Cottbus. Meine Familie wunderte sich: Warum verzichtete der alte Spinner auf wertvolle Trainingszeit und wollte stattdessen ostzonale Kohlehydrathalden aufsuchen? Die Frage war berechtigt. Aber hätte ich die Wahrheit sagen sollen, dass mir meine Familie nur als Tarnung dient für einen Spionageausflug? Mona würde ich mit einem Spaziergang Arm in Arm am Strand korrumpieren und Karl mit Magnum Mandel.
Mona roch den Braten ziemlich schnell. Kaum hatten wir die Autobahn verlassen, fuhren vor und hinter uns ausschlieÃlich Autos mit Rennrädern auf dem Dach oder im Kofferraum des Kombis. »Achim«, sagt Mona drohend, »wo schleppst du uns hin?« Ich pfiff ein fröhliches Lied und antwortete bestgelaunt: »Zum Briesensee, Schatz, dem schönsten Gewässer Brandenburgs.« Mona tippte sich an die Stirn. »Ganz Brandenburg besteht
aus schönsten Gewässern. Warum geigen wir anderthalb Stunden durch die
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