Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer

Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer

Titel: Achilles' Verse - mein Leben als Laeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
Vom Netzwerk:
Musik leiser machen. Ich langweile mich.
    Vielleicht sollte ich mal wieder mit meiner Frau reden? Aber worüber? Die letzten Monate hatten wir keinen Satz gewechselt, der nicht mit Laufen zu tun hatte.
    Ich: »Wo sind meine Laufsocken?«
    Sie: »In irgendeinem deiner verkeimten Klamottenhaufen, die überall rumliegen.«
    Ich: »Willst du einen drahtigen Mann oder nicht?«
    Sie: »Bring Brötchen mit.«
    Drei Kilogramm habe ich allein in dieser Woche draufgepackt. Bestimmt nur Wasser. Ich will trotzdem nicht laufen. Meine Knie tun weh. Alles tut weh, wenn kein Wettbewerb droht. Aber ich will auch nicht nicht laufen. Ich fühlte mich wie eine Frau: Das Leben als Strudel steter Widersprüche. Klare Sache, ich bin schizophren. Und laufabhängig. Sollte ich eine Drogenberatung konsultieren? Wo war die Selbsthilfegruppe »Lerne leben ohne laufen«? Leider war ich viel zu schwach, um aufzustehen, sogar zu schwach zum Denken. Ich hatte eine Motivationskrise. Herrlich.

Immer heiter, immer weiter
    Der Marathon bedeutet einen nicht zu unterschätzenden Einschnitt in das Läuferleben. Ein großes Ziel ist erreicht, ein Ziel, auf das in den letzten Monaten das ganze Leben ausgerichtet war.
Und jetzt? Leere. Einsamkeit. Schlechte Laune, rapide Gewichtszunahme, jeden Tag die Sinnfrage: Wozu ist man auf der Welt, wenn nicht zum Marathontraining?
Nicht wenige Zeitgenossen stellen ihre sportlichen Ambitionen nach dem Marathon schlagartig ein, um nach wenigen Monaten wieder so auszusehen wie am Beginn ihrer Läuferkarriere.
Der entscheidende mentale Schritt ist, das Laufen als Lebensaufgabe zu begreifen, um die man sich mal mehr, mal weniger, aber kontinuierlich kümmert.

Man muss Ziele haben, sonst droht Lethargie. Vor dieser Gefahr ist auch Achim Achilles nicht gefeit. Deshalb hat der Marathonheld jetzt sein nächstes großes Abenteuer in Angriff genommen: Triathlon.
    Â 
    Mona ist eine Schlange. Sie steckt mit Klaus Heinrich unter einer Decke. Die beiden wollen mich leiden sehen. Sie wollen sich amüsieren, wenn ich ersaufe. Ich soll Letzter werden oder gleich im Notarztwagen durchs Ziel rollen. Und alles nur, weil ich mich ein paarmal spaßig über Karl Heinrich und seine Baby-Triathlons ausgelassen habe. »Berliner Volkstri« mit 700 Meter Schwimmen, 20 Kilometer Radfahren und 5 Kilometer Laufen. Oder »Holsten-Cityman« in Hamburg, mit doppelter Distanz. Kinderkram, habe ich gesagt, den absolviert ein Marathonmann auf einem Bein vorm Frühstück.
    Zu meinem Geburtstag neulich, bei dem ich wieder mal Mitte 40 geworden bin, hatte Mona tatsächlich in eine ihrer zahlreichen Handtaschen gegriffen und mir die Polar S625x spendiert. Der Porsche unter den Chronometern, der das Walkerpack im Grunewald wissen lässt: Hier ist einer, der es ernst meint mit dem Sport, ihr Bausparer.
    Leider braucht man ein Ingenieursstudium, um das Ding zu kapieren. Außerdem ist die Batterie am Schuhsensor leer. Die Bedienungsanleitung
hat über 100 Seiten und erklärt nur Sachen, die niemand wissen will. Wahrscheinlich sind die Finnen nur Pisa-Weltmeister geworden, weil sie schon im Kindergarten Polar-Gebrauchsanweisungen auswendig lernen müssen. Und wer sie noch komplizierter machen kann, wird in die erste Klasse versetzt. Beim nächsten Kreuzbandriss werde ich mich damit beschäftigen. Mona zuliebe habe ich sie trotzdem umgebunden. Die gute, alte einfache M5 hatte ich in der Tasche.
    Um beim Erwerb der S625x keinen Fehler zu machen, hatte Mona Klaus Heinrich konsultiert. Das elende Großmaul hatte natürlich sofort mit seinen Triathlons angegeben. Und so war ein weiteres Geschenk entstanden, das ich lieber gar nicht bekommen hätte: ein blutroter Umschlag. Und darin? Ein Startplatz für den »Holsten-Cityman«.
    Â»Triathlon hast du dir doch gewünscht, oder?«, fragte Mona. Woher das plötzliche Verständnis? Willst du wirklich noch mehr pilzige Klamotten in der Bude, klackernde Radschuhe auf dem Parkett, Bananenreste überall, Badehosen voller Entengrütze? »Du hast zwei Monate Zeit«, sagte Mona, »und du hast doch immer behauptet, dass du Karl Heinrich platt machst. Freust du dich denn gar nicht?« Doch doch Schatz! Natürlich, Liebes!
    Warum konnte ich auch mein verdammtes Maul nicht halten. Ich kroch in den Keller. Hinter Wänden von Kartons, dem Camping-Krempel und den Ikea-CD-Regalen, da glänzte mein Rennrad: Winora,

Weitere Kostenlose Bücher