Acht cropped
Lied des Gottesdienstes zu singen. Andreas war mit Sonja bei der Trauerfeier erschienen. Eigentlich wollte er alleine kommen, um eine günstige Gelegenheit abzuwarten, um vielleicht kurz mit Marc sprechen zu können. Aber dann sah er Marcs entsetztes Gesicht, als er ihn und Sonja unter den Trauergästen bemerkte. Außerdem wollte er Marc nicht vor Daniel ansprechen, vor allem, weil er nicht wusste, wie er reagieren würde, schließlich hatte Marc keinen seiner Anrufe und auch keine SMS beantwortet.
Aber er beruhigte sich, indem er sich sagte, er selbst hatte Marc dazu geraten, in den nächsten Tagen keine Entscheidung zu treffen, sondern erst einmal in Ruhe zu überlegen. Außerdem musste Cordulas plötzlicher Tod ihn ganz schön umgehauen haben. Marc wusste ja noch nicht, dass dadurch ein wesentliches Hindernis für eine neue, gemeinsame Zukunft beseitigt worden war. Im Nachhinein hatte diese miese kleine Erpresserin ihm nur die Augen geöffnet, dass es an der Zeit war, sein Schauspiel als glücklicher Familienvater und Ehemann aufzugeben, um endlich zu sich selbst zu stehen. Trotzdem musste diese Kröte aus dem Weg geschafft werden. Warum war sie auch so bescheuert gewesen, sich ihm und seinem Glück in den Weg zustellen. Nur weil sie es nicht auf die Reihe bekam, sich endlich den richtigen Mann zu suchen?
Jetzt war zwar letztendlich nicht alles so gelaufen, wie er es sich vorgestellt hatte, aber er glaubte, recht glimpflich aus der ganzen Geschichte herausgekommen zu sein.
Ein schlechtes Gewissen? Nein, das hatte er nun wirklich nicht. Hätte Cordula ihn und Marc nicht erpresst, dann wäre ihr weder der Unfall im Treppenhaus passiert, noch hätte er dafür sorgen müssen, dass sie den Krankenhausaufenthalt nicht überlebt.
Und Marc? Dem würde er in den nächsten Wochen Bedenkzeit geben, um sich aus freien Stücken für ihn zu entscheiden. Immerhin sind acht Jahre der beste Beweis dafür, dass Marc ihn die ganze Zeit über geliebt hatte, sonst wäre er ihm nicht über auf seine Art treu geblieben. Daniel war nur ein weiterer Kerl, den Marc in die Wüste schicken würde, um endlich mit Andreas ein komplett neues Leben beginnen zu können.
Die einzige Problemstelle bei seiner Zukunftsplanung war Sonja. Noch war ihm nicht klar, wie er seiner Frau und seinem Sohn die Tatsache erklären konnte, dass er sich für ein Leben mit Marc entschieden hatte. Viel zu tief steckte er in dem Leben als braver Ehemann, Vater und Feuerwehrmann.
Aber auch aus diesem Korsett würde er sich befreien, koste es, was es wolle.
Sonja bemerkte erstaunt, dass Andreas während des Gottesdienstes fast schon so fröhlich und unbeschwert wirkte, wie seit Tagen nicht mehr. Dabei hatte er sich in den Tagen, als Cordula noch auf der Intensivstation lag, mehr als besorgt gezeigt und ständig nach ihrem Befinden gefragt. Und jetzt schien ihm ihr Tod nicht das Geringste auszumachen.
Ihr tat alles nur leid. Auch wenn sie Cordula nur ein paarmal gesehen und mit ihr gesprochen hatte, konnte sie sich in die Trauer ihrer engsten Angehörigen hineinversetzen. Viel zu kurz war ihr Leben gewesen, um unter diesen tragischen Umständen zu enden. Erst jetzt wurde ihr bewusst, welche seltsamen Wege das Schicksal manchmal ging: der Sturz die Treppe hinunter, das Koma und zum Schluss auch noch das Herzversagen beim Aktivieren der eigenen Atmung. Das war beinahe schon so, als ob das alles nicht mit rechten Dingen zuging. So viele Unglücke auf einmal - bei einer einzigen Person.
Sonja unterbrach ihren Gedankengang, als sie sah, dass Marc sich erhob und einige persönlich formulierte Fürbitten vorlas. Es fiel ihm offensichtlich schwer, seine Tränen zurückzuhalten. Am liebsten wäre sie aufgestanden und hätte ihn in den Arm genommen, als er vom Altar zurück an seinen Platz ging. Doch ein anderer Trauergast übernahm diese Aufgabe. Ein attraktiver, südländisch aussehender Mann nahm ihn in die Arme, während Frau Kellermann sich an Marc wandte und sich offensichtlich bei ihm für seine Worte am Altar bedankte.
War Marc etwa schwul? Andreas hatte nie mit ihr darüber gesprochen. Erst jetzt wurde ihr klar, wie wenig sie von der Männerrunde ihres Gatten wusste. Aber so etwas Außergewöhnliches hätte er ihr doch bestimmt erzählt. Sie lebten schließlich im Sauerland, da war es lange noch nicht an der Tagesordnung, wenn jemand aus dem Freundeskreis mit einem Mann zusammen war. Ihr Arbeitskollege Sven hatte monatelang geschwiegen, bis er den Mut
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